Die Goldmacherin Historischer Roman
der Traufe bei den Abtritten.
Hätte das Zeremoniell nicht verlangt, dass der Kaiser mit seiner Familie den Kreis des Hofstaates abschritt und duftendes Osterwasser sprengen ließ, die Kleine Prinzessin hätte sie kaum in dem Winkel erspäht.
Doch kaum war die kaiserliche Familie verschwunden gewesen, war die Dienerin im gelbgrünen Festkleid aufgetaucht, hatte Aurelia bei der Hand genommen und sie über Hintertreppen bis zum Großen Saal geleitet. Wenn jemand fragt, sagst du, die Kleine Prinzessin wolle ihrem Lehrer das Ostermahl gönnen , hatte sie noch gesagt. Das war vor zwei Stunden gewesen .
Plötzlich schlugen Schellen im Festsaal aneinander, eine Schalmei wurde geblasen.
»Komm, schnell einen Schritt vor, dann sehen wir gleich, was für Schnallen die Kaiserin angelegt hat.« Die Zimmerweiber der Kleinen Prinzessin drängten sich zwischen Aurelia und der hölzernen Wappentafel vorbei.
»Endlich ist die Fastenzeit vorbei«, raunte jemand. »Der Kaiser ist leider mit dem Festtagskalender streng.«
»Wie gut, dass er heute Gäste hat, sonst würde er trotzdem sparen.« Eine Zofe kicherte leise.
»Wundert’s dich? Jeden Pfennig, den wir nicht verfressen, steckt er in den Krieg.«
Der Schalmeienklang wurde lauter. »Sie kommen, stellt euch auf.« Eine Zofe rührte Aurelia am Arm und lächelte. Sie mochte zehn Jahre älter als Aurelia sein. »Ihr seid der Meister Heliodor, nicht wahr? Geht ein paar Schritt, die Hauslehrer stehen dort.« Sie zeigte zur weit geöffneten Saaltür, wo man Marmorbecken mit Narzissen aufgestellt hatte. »Möge unter Eurer Führung die Weisheit der Prinzessin erblühen«, fügte sie mit einem anzüglichen Unterton hinzu.
Aurelia antwortete lieber nicht auf diesen vergifteten Satz. Sie beeilte sich und schlüpfte gerade noch hinter den altersgebeugten Griechisch-Scholarch. Schon liefen die Osterkinder herein. Die Abkömmlinge der Grafen und Herzöge warfen kleine blaue Blüten, stolperten, halfen sich auf, so anmutig, dass der ganze Saal verzückt lachte. Ein Tänzer in gelbgrünem Fleckenkostüm schlug dazu die Trommel und sprang lustig umher.
»Ohne das Portugiesenblut der Kaiserin wär’s arg trüb an diesem Hof«, sagte der Mathematicus neben ihr zum gekrümmten Alten zu seiner Rechten.
Das Herrscherpaar erschien in Festtagsornat. Als sie durch das in den Saal hereinfallende Sonnenlicht schritten, gleißten
die Gewänder geradezu auf. Aurelia hatte noch nie solch prächtige Mäntel gesehen mit hauchfeinen Spitzen an den Aufschlägen, dicht besetzten Brustbändern und perlengesäumten Nähten. Die Ohrgehänge bei der Kaiserin waren voller weiß glitzernder Steine. Sogar der Thronfolger Maximilian, der auf seinen Kinderbeinchen hinterdreinwackelte, sah schon würdig aus, so golddurchwirkt und rotsamten leuchtete sein Umhang. Die Kleine Prinzessin folgte in fünf Schritt Abstand hinterdrein. Auch wenn man etwas weniger Goldfäden im Samt ihres Kleides eingestickt hatte, ihr Brustband funkelte voller bunter Steine in allen Farben des Regenbogens.
Die Herzöge traten in den Saal, dann die Grafen, Burgmeister und wer sonst noch von Adel war und ein Hofamt innehatte. Sie stellten sich an ihre Stühle rund um die Ostertafel. Nur die Kaiserfamilie setzte sich bereits auf prächtige Sessel an der Stirnseite. Der Kaiser nahm rechts Platz, die Kaiserin links, der Thronfolger auf einem hohen Stühlchen zwischen ihnen. Margret neben dem Kaiser setzte sich rechts auf einen niedrigeren Stuhl.
Nun wurden die Gewänder der hereinströmenden Männer länger, aber nicht weniger prunkvoll. Die Prälaten und die Äbte und Äbtissinnen der Kirchen von Neustadt sammelten sich an der Fensterseite.
Ein runder Kopf tauchte in dem Gefolge auf, von Rüdesheim! Aurelia setzte ganz bewusst ein ausdrucksloses Gesicht auf. Er entdeckte sie, als er an den Marmorbecken mit den Narzissen bei der Tür vorbeiging. Sichtlich erstaunt, fasste er sich jedoch sogleich wieder. Der Legat begab sich nach einem winzigen Zögern in würdevollem Schritt zu seinem Stuhl an der Tafel.
Sollte der Legat nur rätseln, wie sie es fertiggebracht habe, am kaiserlichen Ostermahl teilzunehmen, auch wenn Aurelia diese Gunst nur einer Laune der Kleinen Prinzessin verdankte.
Vielleicht half von Rüdesheim ihr nun endlich dabei, dass sie die notwendige Unterschrift für die Materialbeschaffung vom Kaiser erhielte. Die immer gleichen Antworten von Hubmeister, Schatzmeistern und wer sonst noch für die Versorgung des Hofes
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