Die Goldmacherin Historischer Roman
sicher?« Margret tippte mit dem Zeigefinger, an dem ein Perlring steckte, auf Aurelias
Knie, bevor sie ihren Turm fünf Felder weiterzog. Aurelia überflog das Spielfeld, kalkulierte Züge, Verluste, möglichen Gewinn. Bald würde sie die Dame opfern müssen, wenn ihr König nicht gleich matt stehen sollte.
Allerdings gab es noch einen Weg zur Gegenwehr. »Mein anderer Springer nimmt Euch den Läufer«, sagte sie.
Das Unterlid der Prinzessin zuckte unwillig. Sie zog mit einem Bauern nach. »Spielt Ihr inzwischen auch mit von Rüdesheim?«
Aurelia fing einen Blick auf, als wehte Nebel über Eis. »Wie kommt Ihr darauf?«
»Das war eine der Zugfolgen, wie er sie schätzt. Unerwartet und bedrohlich.«
Aurelia tat, als ob sie nur beschäftigte, wohin sie nun ihren Läufer bringen sollte. Der Legat spielte also mit der Prinzessin Schach, obwohl er von ihr nur als der kleinen Hure sprach. »Ich wusste gar nicht, dass er dieses Spiel schätzt«, bemerkte sie beiläufig.
»Nein? Wo er Euch doch am Hofe eingeführt hat? Ich fürchtete schon, Ihr wäret einer seiner …«, sie lächelte boshaft, »… hübschen Günstlinge?«
»Er hat mich in Speyer angeworben für das Lehramt bei Euch am Hof.« Dies war die Sprachregelung, die von Rüdesheim ihr auferlegt hatte.
»Seltsam nur, dass keiner von dort Euren Namen kennt. Jedenfalls keiner von denen hier am Hof, die sich mit dem Krieg in der Kurpfalz auskennen.«
Die Kleine Prinzessin oder gar der Kaiser selbst hatten also Erkundigungen eingezogen. »Ich bin nur ein Alchemicus, kein Mann von Stand. Mein Name gilt eher etwas in den Stuben der Universitäten und Klöster. Deshalb hörte wohl der päpstliche Abgesandte von Rüdesheim von mir.«
»Der Legat hat seine Ohren überall, ich dafür meine Augen.
« Sie setzte die schwarze Dame quer drei Felder vor, stützte dann das Kinn auf die Hand und beugte sich nahe zu Aurelia. »Manche wetten dennoch auf die Farbe des Legaten, was des Papstes Einfluss am Hofe angeht. Was würdet Ihr wählen, weiß oder schwarz?«
Schwarz war die Farbe der Kirche. Margret nahm die Hand vom Kinn und kreuzte ihre bleichen Unterarme auf dem Schoß. Aurelia konnte nicht umhin, die schöne Haut zu bewundern. »Weiß«, sagte sie und sah sofort, wie die Kleine Prinzessin schmunzelte. Schnell fügte sie hinzu: »Doch fürchte ich, schwarz könnte gewinnen.«
Die Prinzessin hob die Augenbraue und tippte mit dem Finger mit dem Perlenring an ihr Knie. »Das heißt?«
»Ich weiß nicht, wer sich des Kaisers Wünschen widersetzt. Die Schreiber und der Hubmeister hindern mich daran, das blaue Steinmehl zu beschaffen. Der Kaiser habe noch nicht schriftlich Geld für mich angewiesen.« Vielleicht wusste die Kaisertochter nicht alles, was in den Kanzleien vorging. »Kann es sein«,Aurelia zeigte zu den schwarzen Figuren im Kästchen, »dass diese Seite hier falsch spielt?« Dem Legaten traute sie Ränke genug zu.
Prinzessin Margret schüttelte sofort den Kopf. »Nichts liegt dem Legaten ferner, als den Kaiser zu enttäuschen. Nein, es muss andere Gründe haben, dass mein Vater noch keinen schriftlichen Befehl unterzeichnet hat.« Sie suchte scheinbar Rat bei den astrologischen Sternkarten an den Wänden. »Die Kriege sind zu teuer. Nein, nein.« Sie folgte den aufgemalten Planetenbahnen zur Venus. »Ihr misstraut den Falschen. Die Schreiber tun nur ihre Arbeit.« Die eisblauen Augen wurden groß. »Ich werde mit dem Kaiser sprechen. Er hat es wahrscheinlich einfach nur übersehen. Sorgt Euch nicht. Ihr müsst erst die geheimen Regeln des Hofes verstehen.« Sie legte ihre Hand ganz sanft drei Fingerbreit über Aurelias Knie.
Aurelia wurde heiß, aber nicht aus dem Quell, aus dem wohl jeder Mann geschöpft hätte, den eine solch schöne hohe Frau mit ihren Verführungskünsten einsponn. Heliodor, der Mann, der sie nach außen war, gab sich schüchtern und wich mit dem Blick aus. Aurelia, die Frau, die sie war, fürchtete Rache, wenn sie nun die Gefühle der Prinzessin mit einer Abweisung verletzte. Nichts verzieh eine Frau schwerer als zurückgestoßen zu werden, wenn sie sich öffnete. Aber wie hätte sie den Erwartungen der Kaisertochter bei einer Tändelei Genüge tun sollen? »Ich lerne erst die Kunst der Höflichkeit. Ich habe noch nicht lange die Ehre, bei Hofe erscheinen zu dürfen, die ich wohl Euch verdanke.«
Margrets weißes Gesicht kam noch näher. Sie duftete nach Rosenöl, öffnete leicht die Lippen. Das Blau ihrer Augen wurde dunkler.
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