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Die Gordum-Verschwörung

Die Gordum-Verschwörung

Titel: Die Gordum-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Flessner
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dass sie über einen gewissen Charme verfügt. Aber nicht genug, um mich zu erreichen. Spare dir also bitte deine Vorwürfe. Und für ihren Auftritt bin ich auch nicht verantwortlich.“
    Greven wusste, dass Mona ihn gut genug kannte, um bei Thea Woltke richtig zu liegen, auch wenn sein testosteronbedingtes Urteil keinerlei Folgen für ihre Beziehung hatte. Er wusste aber auch, dass sich Mona mehr an ihrem Auftritt rieb als an seiner nicht ganz neutralen Beschreibung der Zeugin. Er konnte sich gut vorstellen, wie Thea Woltke, wahrscheinlich pünktlich zu spät, in die Mühle geplatzt war, alle Blicke absorbiert hatte, zumindest die der Männer, ihre singende Sopranstimme hatte erklingen lassen, um dann unter Einsatz ihres Körpers zur individuellen Begrüßung zu schreiten. Mona hasste derartige Auftritte, und sie hasste die Frauen, die Vernissagen, Konzerte, Lesungen und andere kulturelle Ereignisse als Bühne für diese Auftritte missbrauchten, die sich inszenierten, wenn es darum ging, ganz andere Leistungen in Szene zu setzen. Aber er wusste auch, dass Monas Zorn bald wieder verraucht sein würde.
    „Mona“, sagte er und ließ seine rechte Hand über ihre gleiten. Es folgte ein stummes Zwiegespräch, in dem Greven nickend seine Schuld eingestand, während Mona ihr hartes Urteil über ihn relativierte. Dieses wortlose Prozedere hatte sich schon oft bewährt und so manchen Konflikt entschärft. Außerdem konnte man einen nonverbalen Disput in aller Öffentlichkeit führen, da man keine Aufmerksamkeit erregte und keine Zuhörer zu fürchten brauchte. Sie waren mitten in einem Lokal unter sich.
    Noch immer wortlos schlenderten sie im frühen Abend durch Greetsiel. Die Hitze hatte kaum nachgelassen, eine Hitze, die sie aus Griechenland kannten, die ungewöhnlich war für einen Nordseesommer. Das Dorf quoll über vor Menschen, die ebenfalls flanierten, Eis lutschten, Bier tranken. In den Restaurants und Kneipen rund um den Marktplatz war jeder Tisch besetzt, Bedienungen rannten, der Schallpegel erreichte beachtliche Höhen, müde und von der Sonne erschöpfte Kinder weinten, Hunde bellten, drei angetrunkene Jugendliche grölten an ihnen vorbei: „Bayern vor, noch ein Tor! Bayern vor, noch ein Tor!“ Bierflaschen ersetzen nicht vorhandene Pokale.
    Nach einem großen Bogen, vorbei an der Börse und dem Hohen Haus , passierten sie die zwischen 1380 und 1410 erbaute Kirche und das alte Pfarrhaus, in dem nun Hotelgäste übernachteten. Greven brach das Schweigen und richtete seinen Blick auf das türkisblaue Gebäude.
    „Hier wurde am 5. Dezember 1547 Ubbo Emmius geboren. Nicht in einem der Häuser am Markt, wie man früher geglaubt hat. Dort stand nämlich im 16. Jahrhundert noch die Burg von Greetsiel. Nein, hier war es, gegenüber der Kirche.“
    „Der Kommissar hat sich belesen. Sieh an, sieh an.“
    „Ein bisschen.“
    „Wurde aber auch Zeit. Na, dann klär mich mal auf.“
    „Sein Vater war Emmo Dyken, der erste reformierte Pastor Greetsiels und überzeugter Lutheraner. Er hat sogar in Wittenberg Theologie studiert, also bei Martin Luther höchstpersönlich.“
    „Respekt.“
    „Ubbo Emmius hat erst in Emden, später in Bremen und Norden die Lateinschule besucht, dann in Rostock und Genf Theologie studiert. Doch Pastor wollte er nicht werden, denn als Redner war er völlig unbegabt. Seine Liebe galt den Büchern und den Karten. 1579 wurde er Rektor der Lateinschule in Norden, 1588 ging er nach Leer und 1594 nach Groningen. Dort wurde er 1614 zum ersten Rektor der Universität ernannt. Was für eine Karriere. Ein Universalgelehrter und profunder Kenner der Geschichte, vor allem der Ostfrieslands. Und ein begnadeter Lateiner. 1595 erschien seine Rerum Frisicarum historia .“
    „Und 1602 Himel von Torums Historiae obscurae. “
    Greven konnte nicht vom Möglichkeitsfeld lassen. „Ist Emmius Himel von Torum? Aber warum hat er Torum für sein Pseudonym gewählt?“
    „Torum ist wie Gordum eine untergegangene Stadt, noch dazu eine, an deren Existenz kein Zweifel besteht. Vielleicht hat er sich so genannt, um auch an der Existenz Gordums keinen Zweifel aufkommen zu lassen.“
    „Wer auch immer dieser Himel von Torum war, ich werde mir auf jeden Fall am Montag sein Buch ansehen. Ich will endlich einmal etwas halbwegs Authentisches in Händen halten.“
    „Was weißt du eigentlich wirklich über Gordum? Du hast doch inzwischen eine Menge Material gesammelt.“
    Greven sah Mona lange an, bevor er sich für eine

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