Die Gordum-Verschwörung
Verhalten und Ihren Fragen schließe ich, dass Sie mich zum Kreis der Verdächtigen zählen. Können Sie mir das vielleicht kurz erklären?“
„Reine Routine“, half Häring aus. „Wir müssen schließlich jeder Spur nachgehen und jedes Alibi überprüfen. Und Sie stehen nun einmal auf der Telefonrechnung eines Mordopfers. Das ist alles.“
Die Wogen in von der Laues Gesicht glätteten sich. Mit weniger Fahrt ging Greven nun die weiteren Fragen an.
„Haben Sie die Greetsieler Harm Claasen und Gesine Oltmanns gekannt?“
„Die beiden anderen Opfer? Nein, tut mir leid. Ich kenne die Namen nur aus der Zeitung.“
„Wo waren Sie in der Nacht vom achten zum neunten Juli?“
„Das muss ich in meinem Kalender nachsehen.“
„Bitte. Und in der Nacht von vorgestern auf gestern?“
„War ich auf der Hochzeit eines guten Freundes in Osnabrück. Die Adresse schreibe ich Ihnen auf.“ Er ging um den Schreibtisch herum und blätterte in seinem Kalender. „Und am Samstag, den achten Juli, war ich auf Juist. Über Nacht. Sie wissen ja, dass man Juist …“
„… nur tidenabhängig erreichen kann. Ich bin auch Ostfriese, Herr von der Laue. Wir werden das überprüfen.“
„Tun Sie das, meine Herren, tun Sie das. Würden Sie mich nun entschuldigen? Ich habe einen vollen Terminkalender.“
Als sich die Türen der Ostfriesischen Landschaft hinter ihnen schlossen, sahen sich Greven und Häring an. Keiner brauchte dem anderen zu erklären, dass ihr Versuch, von der Laue kentern zu lassen, fehlgeschlagen war. Im Gegenteil, ohne große Mühe war es ihm gelungen, sie auf Grund laufen lassen, bis sie nur noch Sand unterm Kiel hatten. Allzu voreilig hatte Greven in von der Laue den rettenden Strohhalm gesehen, hatte sich in einer unvorbereiteten Blitzaktion an ihn geklammert und war dabei nur noch tiefer in den Treibsand geraten, denn Hilfe konnte er von dem namhaften Historiker nun nicht mehr erwarten.
„Dies ist einfach nicht mein Tag“, schnaufte er.
„Gräm dich nicht“, sagte Häring, „es hätte auch ganz anders ausgehen können. Außerdem müssen wir noch seine Angaben überprüfen. Noch wissen wir nicht, ob er die Wahrheit gesagt hat.“
„Nein, nein, das war ein Fehler, Peter.“
„Hinterher ist man immer schlauer.“
„Ich hätte im Bett bleiben sollen. Aber was mach ich? Schlepp mich erst in die Inspektion und falle anschließend noch über von der Laue her. Hättest du mich nicht zurückhalten können?“
„Das hab ich doch versucht.“
„Aber nicht energisch genug.“
„Das sagst du so leicht.“
„Fährst du mich nach Hause?“
„Nichts lieber als das. Du siehst grauenhaft aus.“
23. Kapitel
Nachts erwacht die Zirbeldrüse, die Königin der Drüsen, und versorgt den Körper mit Melatonin, einer einfachen Aminosäure, einem zustandsabhängigen Hormon, aber einem lebenswichtigen, das an der Entscheidung über Alter und Tod beteiligt ist. Auch gegen die verschiedenen Übel dieser Welt, die auf den Menschen einwirken, zieht die körpereigene Wunderdroge siegreich zu Felde. Zwar lässt ab fünfundvierzig die Produktion von Melatonin deutlich nach, doch reichte Greven die Dosis aus, die er sich in gut zwölf Stunden Schlaf verabreichte, um wieder unter den wirklich Lebenden zu weilen. Außerdem hatte er am Abend zuvor auf jeglichen Alkohol verzichtet, sogar auf den üblichen Grappa. Stattdessen hatte er einen von Mona gemixten Vitamincocktail geschlürft.
Diese gezielten Maßnahmen hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. So vernichtet er tags zuvor in der Polizeiinspektion erschienen war, so reanimiert bezwang er an diesem Tag die Stufen und Aktenberge. Das Tal auf seinem Schreibtisch war ihm über Nacht zu klein geworden. Vor den Augen Härings, dem er das Erstaunen anmerkte, fraß er sich rücksichtslos durch die Pappdeckel, unterschrieb hier, füllte dort aus, lochte und ordnete. Er wollte seinen Arbeitsplatz einebnen, wollte die große Schautafel von Namen und Fotos befreien, um noch einmal ganz von vorne den Fall zu entwickeln, den Täter auszuwickeln aus dem Dunkel, das ihn umgab.
Mona hatte ihm nicht nur Vitamine, sondern auch neuen Mut eingeflößt. Selbst den gestrigen Fauxpas hatte sie mit wenigen Worten zerredet und ihm klar gemacht, dass auch Kommissare abhängig sind von ihrer Tagesform, von ihren Hormonen, vom Restalkohol im Blut, vom Zustand ihrer Knie. So wie jeder Mensch. Und dafür würde auch von der Laue Verständnis haben. Beim nächsten Zusammentreffen, zu dem
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