Die Gottessucherin
gemacht hat? Das ist doch kein Verbrechen! Im Gegenteil!«
Gracia wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Zum Glück kam Diogo ihr zu Hilfe.
»La Chica ist aufgewacht und ruft nach ihrer Mutter.« »Dann wollen wir jetzt Geburtstag feiern«, sagte Brianda schon an der Tür und drehte sich zu ihrer Schwester um. »Worauf wartest du? Willst du nicht mitkommen?«
»Doch, natürlich.«
Gracia war froh, den Raum verlassen zu können, und griff nach der Puppe, aber Diogo hielt sie zurück. »Bleibt bitte noch einen Moment. Wir müssen etwas besprechen - geschäftlich.« Brianda musterte die beiden mit gerunzelten Brauen. »Muss das ausgerechnet jetzt sein? La Chica hat sich so auf ihre Tante gefreut.«
»Es dauert nicht lange«, erklärte Diogo.
Brianda wollte etwas entgegnen. Doch dann schüttelte sie nur den Kopf, mit jener Bitterkeit in ihren grünblauen Augen, die immer häufiger von ihrem Wesen Besitz ergriff - und verschwand.
31
»Ist die Felicidade aus Lissabon zurück?«, fragte Gracia, als sie mit Diogo allein war.
»Nein«, sagte er. »Aber sie kann jeden Tag kommen. Wir müssen uns entscheiden.«
Er suchte ihren Blick, doch Gracia wich ihm aus. Dachte er an dasselbe wie sie? An den einen nächtlichen Augenblick in der Mikwa des Judenhauses, als sie das Bad genommen hatte, um sich reinzuwaschen von ihrem Handel um Reyna? Über zwei Wochen war das her, sie hatten nie darüber gesprochen, und die Erinnerung daran war wie ein Traum. Für einen Wimpernschlag hatte sie geglaubt, ihrem Mann gegenüberzustehen. Ein kurzer, flüchtiger Augenblick der Wahrheit. Doch diese Wahrheit durfte niemals Wirklichkeit werden.
»Ich werde nicht zulassen, dass meine Tochter diesen Mann heiratet«, sagte sie.
»Vielleicht braucht Ihr das auch nicht«, erklärte Diogo. Überrascht hob Gracia den Blick. »Habt Ihr Nachrichten aus Brüssel?«
»Nein, aber es gibt eine Möglichkeit, die Hochzeit zu verhindern.« Er nahm die Puppe und drehte ihr den Hals um. »Wo kein Bräutigam, da keine Braut.«
Gracia begriff. »Wenn dich jemand töten will, komm ihm mit der Tötung zuvor ...?« Diogo nickte.
»Aber wie soll das gehen?«, fragte sie. »Aragon ist der Generalkommissar des Kaisers. Und er hat mächtige Freunde.« »Man muss den Herrn auch für das Böse preisen«, grinste Diogo. »Aragon hat eine große Schwäche: die Mädchen im Goldenen Anker. - Eine Schenke in der Brouwerstraat«, fügte er zur Erklärung hinzu.
»Ich weiß«, sagte Gracia. »Ich bin oft genug im Hafen. Was ist Euer Plan?«
Diogo räusperte sich, bevor er antwortete. »Es gibt im Goldenen Anker eine Mulattin, die Aragon ablenken könnte. Die Zimmer der Mädchen befinden sich im hintersten Winkel des Hauses. Da kann er so laut schreien, wie er will, ohne dass ihn jemand hört.«
Gracia holte tief Luft. »Wisst Ihr schon, wer es tun soll?«, fragte sie.
Diogo zögerte keine Sekunde. »Ich selbst«, erklärte er. »Je weniger Bescheid wissen, umso besser. Außerdem ist es einfacher, wenn ich ihn in die Falle locke. Bei mir schöpft Aragon keinen Verdacht. Er glaubt noch immer, wir wären Freunde. Er hat mir sogar verraten, dass er dem Kaiser Geld versprochen hat, zweihunderttausend Dukaten, damit er um Reynas Hand anhalten kann, nachdem er Jan van der Meulen ...« »Nein, das will ich nicht«, unterbrach Gracia ihn. »Was wollt Ihr nicht?«, fragte Diogo. »Dass Ihr es tut. Das ist zu gefährlich!«
»Gefährlich?«, protestierte er. »Es wird mir ein Vergnügen sein! Dass ich noch meine zwei Hände habe, verdanke ich nur Euch. Wenn ich sie jetzt dazu gebrauchen kann, die Sache mit Reyna in Ordnung zu bringen, damit sie zurückkommt, statt diesen Mistkerl ...«
»Pssst!« Gracia legte einen Finger an die Lippen und deutete mit dem Kopf zur Tür.
Diogo verstand sofort und stieß die Tür auf. Draußen auf dem Flur stand eine Magd, ein hübsches, blondes Mädchen mit rosigen Wangen, das fast noch ein Kind war. »Wer bist du?«, fragte er. »Was stehst du da und lauschst?« »Ich ... ich bin Frauke, die neue Küchenmagd«, stammelte sie. »Meine Herrin hat mich geschickt. Ich soll die Puppe holen. Für La Chica.«
Diogo reichte sie ihr. »Da! Verschwinde!«
Das Mädchen machte auf dem Absatz kehrt, aber noch bevor sie draußen war, packte Diogo sie am Arm. »Kenne ich dich nicht irgendwoher?«
Das Mädchen lief rot an. »Nein, Mynheer, ich bin erst seit dieser Woche in der Stadt. Meine Eltern sind Bauern, sie haben einen kleinen Hof bei
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