Die Gottessucherin
vorzubereiten und gleichzeitig das Vermögen der Firma in Sicherheit zu bringen. Während Unterhändler nach Brüssel reisten, um mit Vertretern der Regentin sowie Senhor Aragon zur Wahrung des Scheins die Einzelheiten des Ehevertrags auszuhandeln, betrieben Gracia und Diogo heimlich die Auflösung ihres Handelshauses. Niemand durfte von ihrem Vorhaben erfahren - jedes Aufsehen könnte das Ende bedeuten. Die wertvollsten Güter wurden mit allen verfügbaren Schiffen nach Venedig geschickt, in die Obhut des dortigen Agenten Tristan da Costa, die übrigen Lagerbestände zu Spottpreisen verscherbelt. Sie wollten möglichst viel Geld in Edelsteinen anlegen, die ließen sich auf dem Landweg leicht und unauffällig transportieren. Unterdessen eilte ein Kurier, ausgestattet mit zehntausend Dukaten, nach Rom, um beim Papst einen Geleitbrief zu erwirken, der den Mitgliedern der Familie die Reise durch alle Provinzen des Kirchenstaats erlaubte. Das größte Fluchthemmnis jedoch waren die zweihunderttausend Golddukaten, die Francisco noch vor seinem Tod in Lissabon durch Dom Jonos Vermittlung dem Kaiser geliehen hatte, für dessen Krieg gegen die Türken. Karl hatte noch nicht einmal damit begonnen, den Kredit an die Firma Mendes zurückzuzahlen, und abgesehen davon, dass er wegen seiner zahllosen Feldzüge ständig in Geldnot war, gab es keine Möglichkeit, die gewaltige Summe plötzlich zurückzufordern, ohne Verdacht zu erregen. Vom Ausland aus wollten Gracia und Diogo dem Kaiser die Erlassung des Kredits anbieten, als Lösegeld für die Flüchtlinge, die im Hafen von Antwerpen auf der Esmeralda und der Fortuna gefangen waren. Das Geld war ohnehin verloren, genauso wie die Wohnhäuser und Speichergebäude, die sie in Antwerpen zurücklassen mussten. Das war der Preis, den die Familie für Reynas Freiheit zahlen würde. Doch dann, an einem Freitagabend, die sechste Woche war inzwischen vorüber, traf die Felicidade wieder in Antwerpen ein, und Dom Alfonso, der Kapitän des Viermasters, überbrachte Diogo ein Schreiben des portugiesischen Königs, in dem Dom Jono sich verpflichtete, für das Wohlergehen von Gracias Angehörigen, die noch in seinem Reich lebten, zu sorgen. Gleichzeitig gab er Gracia einen handschriftlichen Brief ihres Vaters, in dem dieser seine Freilassung aus der Haft bestätigte.
»Du kannst Reynas Hochzeit nicht länger hinauszögern«, sagte Brianda. »Sie haben alle Bedingungen erfüllt.« Gracia hatte gerade mit einem Segensspruch die Sabbatlichter angezündet, als ihre Schwester in ihrem Haus am Groenplaats erschienen war. War der Augenblick gekommen, um ihr die Wahrheit zu sagen ? Alle wussten Bescheid, die mit der Vorbereitung der Flucht zu tun hatten - Diogo hatte sogar seinen Freund Amatus Lusitanus eingeweiht, weil sie seine Hilfe für die Beschaffung der Pässe brauchten. Nur Brianda hatte keine Ahnung. Trotzdem zögerte sie. Der Sabbat war ein Tag der Ruhe, der Freude und des Friedens, nicht des Streits. Den aber würde es mit Sicherheit geben, wenn sie jetzt redete.
»Warum antwortest du nicht?«, fragte Brianda. »Verheimlichst du mir etwas?«
Gracia begriff, dass sie nicht länger schweigen durfte. Also beschloss sie, reinen Tisch zu machen. »Es wird keine Hochzeit geben.«
»Das ist ja wunderbar!«, rief Brianda. »Aragon hätte Reyna nur unglücklich gemacht. Hat er das endlich eingesehen?« »Nein«, erwiderte Gracia. »Er will Reyna immer noch heiraten. Aber wir haben einen Weg gefunden, wie wir die Hochzeit verhindern können.«
Sie bat ihre Schwester, sich an den Tisch zu setzen, den sie bereits für den Feiertag festlich eingedeckt hatte, und während sie voller Anspannung mit der Gewürzbüchse spielte, die unter der Sabbatlampe ihren feinen Duft verströmte, erklärte sie Brianda den Plan, den sie und Diogo gefasst hatten.
Doch je länger Gracia redete, desto blasser wurde ihre Schwester.
»Seid ihr wahnsinnig?«, fragte Brianda, als sie zu Ende gesprochen hatte. »Ihr wollt alles aufgeben, was wir hier besitzen, nur damit Reyna keinen Christen heiratet?«
Gracia fasste nach ihrer Hand. »Du hast doch selbst gesagt, Aragon würde sie unglücklich machen.«
»Ihr Glück interessiert dich doch gar nicht.« Brianda zog ihre Hand zurück. »Dir geht es doch nur darum, dass Reyna das Schma betet statt das Vaterunser. Und dafür sollen La Chica und ich ...« »Du brauchst keine Angst zu haben. Für eure Sicherheit ist gesorgt. Du und La Chica, ihr fahrt voraus nach Aachen, so
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