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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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entblößt du dein Haar! Für ihn trägst du deine schamlosen Kleider! Aber glaub ja nicht, dass ich das erlaube ! Ich verbiete dir - hörst du?
- verbiete
...« Sie spürte, wie der Jähzorn in ihr aufstieg. Um in ihrer Wut nichts Falsches zu sagen, verstummte sie.
    Brianda machte einen Schritt auf sie zu. »Hast du vergessen, wie sehr du Francisco geliebt hast?«, fragte sie und nahm Gracias Hand. »So sehr hast du ihn geliebt, dass du keinen anderen Mann mehr heiraten konntest? Ich habe dich immer um diese Liebe beneidet. Aber - kannst du mich dann nicht auch verstehen? Ich bin doch deine Schwester und fühle genauso wie du. Oder habe ich kein Recht darauf, einen Mann zu lieben?« Gracia zog ihre Hand zurück. »Das sagst du, obwohl Diogo noch kein Jahr tot ist?«, fragte sie entsetzt. »Schämst du dich nicht?« »Nein«, sagte Brianda, so ruhig, dass Gracia es kaum glauben konnte. »Ich habe Diogo nur geheiratet, weil du ihn nicht heiraten wolltest. Das weißt du besser als ich. Dabei habe ich immer Tristan geliebt, und wenn ich jetzt endlich hoffen darf, mit ihm zusammen zu sein, dann werde ich nicht, nur weil du es so beschlossen hast ...«
    »Halt deinen Mund!«, schrie Gracia. »Ich kann es nicht länger ertragen!«
    »Was kannst du nicht ertragen? Dass ich dir nicht gehorche?« »Wie du redest! Wie eine italienische Hure!« Sie hatte das Wort noch nicht ausgesprochen, als sie es auch schon bereute. »Bitte verzeih mir, Brianda«, sagte sie schnell und griff nach den Händen ihrer Schwester. »Ich ... ich wollte das nicht sagen, ich wollte dich nicht verletzen, ich ... ich wollte nur ...« Sie war so durcheinander, dass sie nicht mehr weitersprechen konnte. Was in aller Welt gab ihr das Recht, Brianda Vorwürfe zu machen? Ausgerechnet sie?
    »Ja, du hast meinen Segen«, sagte sie schließlich. »Wenn du Tristan heiraten möchtest und er um deine Hand anhält, dann sollst du ihn heiraten. Aber nicht hier - hier könnt ihr nicht glücklich werden. Tristan ist Jude! Er ist sogar ins Ghetto gezogen, um nach dem Gesetz zu leben. Darum wartet, bis wir in Konstantinopel sind.«
    Weil ihr die Worte fehlten, drückte sie Briandas Hände. Doch ihre Schwester trat einen Schritt zurück und machte sich von ihr frei.
    »Nein, Gracia«, sagte sie. »Als ich mit La Chica auf meinem Karren durchs Elsass fuhr, mutterseelenallein, da habe ich mir eines geschworen: Sollte es mir je wieder vergönnt sein, irgendwo zu leben, wo ich mich wohl fühle, werde ich diesen Ort nie mehr verlassen. Das habe ich mir bei allem geschworen, was mir heilig ist. Und ich bin nicht bereit, dir zuliebe meinen Schwur zu brechen.«
    »Was willst du damit sagen?«, fragte Gracia. »Du weigerst dich, den Weg zu gehen, den Gott uns weist, nur weil du in deinem Hochmut ...«
    »Du kannst tun, was du willst«, unterbrach Brianda sie. »Aber egal, wie du dich entscheidest - ich bleibe hier!« Gracia verschlug es die Sprache. Wie konnte Brianda sich erdreisten, ihr so offen die Stirn zu bieten? Darauf gab es nur eine Antwort.
    »Das kannst du dir nicht leisten«, erklärte Gracia. »Von welchem Geld willst du leben, wenn du ohne mich hierbleibst? Du bist doch jetzt schon über beide Ohren verschuldet.« »Ich weiß«, erwiderte Brianda. »Aber wenn du mich dazu zwingst, werde ich um mein Erbe streiten. Tristan hat gesagt, es gebe beim Rat der Zehn ein Ausländergericht, da könnte ich Klage erheben.«
    »Du willst einen Prozess führen?«, rief Gracia. »Gegen mich? Du dummes kleines Mädchen?« Voller Verachtung schaute sie ihre Schwester an. »Das wirst du nicht wagen - niemals! Du ... du hast doch schon Angst, allein vor die Haustür zu gehen, wenn es draußen dunkel ist.«
     

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    Ein Gespenst ging um in Europa, das die Menschen in ihren Herzen und Seelen entzweite, ein Glaubensstreit, den ein kleiner Augustinermönch namens Martin Luther mit fünfundneunzig Thesen, angeschlagen an das Tor einer sächsischen Schlosskirche,
    im Jahre 1517 angezettelt hatte. In Scharen bekannten sich einst fromme Katholiken zu der neuen Lehre, die eine Reform der Kirche versprach, in Sachsen und Hessen, in Schweden und den Niederlanden, und die Mitte des Jahrhunderts war noch nicht erreicht, da hatte ihre Zahl so sehr zugenommen, dass der Papst sich gezwungen sah, ein Konzil einzuberufen, um der Reformation Einhalt zu gebieten, bevor die katholische Christenheit für immer auseinanderbrach.
    Während die Kardinäle in Trient über den Glauben berieten, versammelte

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