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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Kaiser Karl V. in Regensburg all jene Fürsten des Heiligen Römischen Reiches um sich, die bereit waren, gegen die Protestanten zu Felde zu ziehen. Sogar sein Neffe Maximilian, der ihn als Statthalter in Spanien vertrat, war in die süddeutsche Bischofsstadt gereist, um sich dem kaiserlichen Heer anzuschließen. Wie es sich für einen Soldaten gehörte, hatte er weder im Schloss noch in einem Patrizierhaus Quartier bezogen, sondern im Goldenen Hirschen, einem Gasthof, der an der Steinernen Brücke unweit des Doms gelegen war.
    Hier suchte José Nasi, kaum war er in der Stadt angekommen, seinen alten Studienkollegen und Fechtbruder auf, um den Glaubensstreit der Christen für die Firma Mendes und die jüdische Sache zu nützen.
    »Bist du es wirklich, oder täuschen mich meine Augen?«, rief Maximilian.
    »Majestät.« José lüftete seinen Federhut und beugte das Knie.
    »Scheiß was auf die Majestät!« Maximilian breitete die Arme aus und drückte ihn an sich. »Wie freue ich mich, dich zu sehen!
    Aber sag, was hast du in Regensburg verloren?«
    »Ich will Euch einen Handel vorschlagen.«
    »Du bist und bleibst ein Jude! Schau dich um - ist das ein Ort für Geschäfte?«
    In dem Schankraum wimmelte es von Soldaten. Die meisten Männer waren betrunken, und die wenigen, die nüchtern waren, hatten halbnackte Mädchen auf dem Schoß.
    José zuckte die Schultern. »Ich denke, wenn der Kaiser Krieg führen will, braucht er Geld.«
    »Einen Stuhl für meinen Freund José Nasü«, rief Maximilian. »Und für uns beide eine Kanne Bier!«
    Noch bevor der Wirt kam, erläuterte José seinen Plan. Er wollte dem Kaiser einen Kredit über hunderttausend Dukaten anbieten sowie die einmalige Zahlung von dreißigtausend Dukaten, als Schuldbekenntnis und Strafe für die Flucht der Familie Mendes aus den Niederlanden. Dafür sollte Karl sich seinerseits zur Rückzahlung jener zweihunderttausend Dukaten verpflichten, die ihm Francisco vor Jahren geliehen hatte. Außerdem sollte der Kaiser die in Antwerpen beschlagnahmten Kontore und Speicher der Firma zurückerstatten und ihrer Besitzerin erlauben, in Flandern wieder Geschäfte zu betreiben.
    »Gracia Mendes ist Untertanin des portugiesischen Königs. Die Konfiskation ihrer Güter ist ebenso rechtswidrig wie die Hinrichtung Dom Diogos.«
    »Und was habe ich damit zu tun?«, wollte Maximilian wissen. »Alles, worum ich Euch bitte, ist eine Audienz bei Eurem Onkel. Es soll Euer Schaden nicht sein.«
    Während José sprach, stellte der Wirt das Bier auf den Tisch. »Seid Ihr José Nasi?«, fragte er und schenkte ein. »Ja, warum?«
    Der Wirt fasste unter seine Schürze. »Post für Euch. Ist mit der Morgenkutsche gekommen.«
    Verwundert nahm José den Brief. Wer hatte ihm geschrieben? Nur wenige Menschen wussten, dass er nach Deutschland gereist war. Doch als er die Schrift erkannte, machte sein Herz einen Freundensprung. Was für eine Überraschung! Reyna hatte die Thurn-und-Taxis-Post genutzt, um ihn in Regensburg willkommen zu heißen! Er gab dem Wirt ein Trinkgeld und öffnete den Umschlag.
    »Was ist?«, fragte Maximilian. »Du bist ja ganz blass!« Ungläubig starrte José auf die Zeilen. Das war wirklich eine Überraschung - doch keine freudige. Hatte Dona Brianda es also wirklich wahr gemacht? Dona Gracia hatte ihm bei seiner Abreise von der Drohung ihrer Schwester berichtet, um ihm die Dringlichkeit seiner Mission vor Augen zu führen. Aber er hätte nie geglaubt, dass Dona Brianda den Mut haben würde, ihre Drohung in die Tat umzusetzen.
    Die Nachricht war so unglaublich, dass José den Brief noch einmal las.
    Sie hat meine Mutter vor dem Ausländergericht verklagt. Sie fordert die Hälfte des Erbes. Inzwischen sind wir aus ihrem Palast ausgezogen und leben jetzt in der Pfarrei von San Polo. Rabbi Soncino hat uns geraten, im christlichen Teil der Stadt Wohnung zu nehmen. Wenn wir ins Ghetto gezogen wären, würde meine Mutter als Jüdin gelten und könnte nie gegen ihre Schwester vor Gericht gewinnen. Jetzt herrscht Krieg zwischen den beiden. Sie sprechen nicht einmal miteinander. Ach, es ist alles so entsetzlich. Du weißt, wie sehr ich an meiner Tante hänge, ich habe sie fast genauso lieb wie meine Mutter. Warum musst du ausgerechnet jetzt in Deutschland sein?
    Jemand berührte José im Schritt. Wie von der Tarantel gestochen fuhr er herum. Ein halbnacktes Mädchen, schön wie die Sünde, lächelte ihn an. Ihre Nase und ihre Wangen waren von Sommersprossen

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