Die Gottessucherin
zu entladen. Seine Blase leerte sich, zusammen mit seinem Gedärm, und während die Ausscheidungen an seinen Beinen herunterrannen, knickten ihm die Knie ein. Im selben Moment sank Cornelius Scheppering zu Boden. Sinnlose Laute brabbelnd lag er da in seinen Exkrementen. Hatte er den Kampf verloren? Hatte die Geißel Gottes ihn endgültig niedergestreckt? Noch bevor sein Werk vollendet war? Mit letzter Kraft tastete er nach seinem Rosenkranz. Nein, er war nicht allein. Und obwohl seine Lippen sich weigerten, die tröstenden Worte zu sprechen, konnte er sie doch immer noch denken. Gegrüßet seiest du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir ...
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»Ich bin gekommen, um Euch ein Angebot zu machen«, erklärte Aragon. »Im Namen Seiner Heiligkeit des Papstes sowie mit dem Einverständnis des Kaisers.« »Nehmt Platz.«
Gracia war von der Synagoge direkt in ihr Kontor geeilt, wo Aragon auf sie wartete. Wie lange hatte sie diesen Menschen nicht mehr gesehen? Zehn, fünfzehn Jahre? Ihre letzte Begegnung war in Brüssel gewesen, im Palast der Regentin, nach Reynas Entführung. Der Spanier hatte gekocht vor Wut. Während er sich auf den Stuhl setzte, den ein Kontorist herbeirückte, verzog er sein Gesicht zu einem falschen Lächeln. Doch der hochmütige Ausdruck seiner Augen hatte sich so wenig verändert wie seine auffällige Kleidung.
»Schade, dass ich Eure Tochter nicht begrüßen kann«, sagte er.
»Ich hätte ihr gern meine Ehrerbietung ausgedrückt. Wenn ich recht unterrichtet bin, habe ich die Freude unseres heutigen Wiedersehens wohl ihr zu verdanken.« »Ich verstehe kein Wort«, sagte Gracia.
»Ihr braucht Euch nicht zu verstellen«, erwiderte Aragon mit einem Augenzwinkern. »Ich weiß Bescheid. Eure Tochter hat auf den Sohn des Sultans großen Eindruck gemacht. Wer hätte gedacht, dass Süleyman dem Papst wegen eines verliebten Mädchens einen Brief schreibt? Der scharfe Ton hat beim Heiligen Vater allerdings für einigen Verdruss gesorgt.« Der Spanier unterbrach seine Rede und schaute Gracia verwundert an. »Habe ich mich am Ende etwa verplappert? Mir scheint, Ihr seid tatsächlich nicht im Bilde?« Die Überraschung in seinem Gesicht wich einem breiten Grinsen. »Aber das ist doch kein Grund zur Aufregung«, erklärte er. »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, Eure Tochter hat offenbar viel von Euch geerbt. Und dass Reyna auf einen jungen Mann Eindruck zu machen versteht - wer sollte das besser nachempfinden als ich?«
Gracia war so verwirrt, dass sie nicht wusste, was sie antworten sollte. War wirklich möglich, was der Spanier da behauptete? Dass ihre Tochter ohne ihr Wissen den Sohn des Sultans aufgesucht hatte? Wenn ja, dann brauchte sie nicht lange zu überlegen, aus welchem Grund Reyna das getan hatte. »Nun?«, fragte Aragon.
Gracia wandte sich wieder dem Spanier zu, der sie immer noch mit seinem Grinsen anschaute.
»Ihr wolltet mir einen Vorschlag machen«, sagte sie so kühl wie möglich.
Aragon strich sich über den Spitzbart. »Der Papst ist der leidigen Angelegenheit überdrüssig. Die Kräftemesserei schadet nur beiden Parteien. Niemand hat einen Vorteil, wenn der Handel in Ancona darniederliegt. Wir sollten wieder Vernunft walten lassen.«
»Kommen wir zum Geschäft!«
»Oh, ich vergaß«, erwiderte Aragon mit seinem falschen Lächeln. »Ihr seid nicht nur eine fürsorgende Mutter, sondern auch eine Kauffrau.« Plötzlich wurde seine Miene ernst. »Seine Heiligkeit der Papst macht Euch folgendes Angebot: Ihr beendet die Blockade von Ancona, dafür kommt Euer Agent Dom José Nasi frei.« »Wie bitte?«
»Ja, Ihr habt richtig gehört. Die Freiheit Eures Neffen gegen die Aufhebung des Banns.«
Der Vorschlag erfolgte so überraschend, dass Gracia sich beherrschen musste, um nicht vor Freude aufzuspringen. Hatte der Herr ihre Gebete erhört? Hatte sie den Papst tatsächlich in die Knie gezwungen? Zwar war der Sieg noch nicht in ihrer Hand, doch er war zum Greifen nahe. Wenn der Papst zu einem solchen Schritt bereit war, gestand er damit seine Niederlage ein. »Euer Angebot reicht nicht aus«, erklärte sie. »Ich verlange die Freilassung aller Conversos von Ancona. Und die Wiedereinführung der Schutzrechte, die frühere Päpste meinen Glaubensbrüdern gegeben haben. Erst dann heben wir die Blockade auf.« »Ihr überschätzt Eure Macht«, sagte Aragon, doch das Lächeln war von seinen Lippen verschwunden.
»Davon kann keine Rede sein«, erwiderte Gracia. »Wie Ihr
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