Die Gottessucherin
- wie hieß er noch gleich?«, fragte Dom Jono schmatzend. »Enrique Nunes, nicht wahr? Ist er noch im Dienst Eurer Firma?«
Als Francisco so plötzlich den Namen hörte, zuckte er zusammen. »Pardon, Majestät kennen meinen Agenten?« »Wenn ich recht unterrichtet bin, war er zu Eurer Hochzeit in der Stadt. Ich hätte gern seine Bekanntschaft gemacht. Doch leider war mir das Vergnügen nicht gegönnt.« »Er war nur eine Woche hier«, erwiderte Francisco. »Dringende Geschäfte in London. Jetzt ist er wieder in Antwerpen. Er bereist von dort aus alle unsere Niederlassungen in Europa.« »Ach ja? Sehr schön. Er soll ja ein tüchtiger Mann sein. Vielleicht kann er seine Tüchtigkeit bald schon in einer Mission unter Beweis stellen, die uns sehr am Herzen liegt.« Der Audienzsaal der neuen Residenz am Terreiro do Paco war mit Gold und Edelsteinen angefüllt wie eine Schatzkammer, und die Fenster boten einen herrlichen Blick auf den Tejo, der breit und träge in der Mittagssonne glänzte. Doch Francisco konnte weder die Pracht der Einrichtung noch die Aussicht auf den Fluss genießen. War das der Grund, weshalb er in den Palast zitiert worden war? Weil der König Verdacht geschöpft hatte? Nach so langer Zeit? Damals, am Morgen nach der Hochzeit, als Francisco seine Braut verlassen hatte, um Hals über Kopf zum Hof zu eilen, aus Angst, die Hinrichtung des Spions wäre der Grund, warum man ihn gerufen hatte, war keine Rede von Enrique Nunes gewesen. Dom Jono hatte nur einen Kredit gebraucht, für die Mitgift seiner Tochter, und die Dringlichkeit der Audienz hatte sich als reine Boshaftigkeit erwiesen.
Aufs äußerste angespannt, betrachtete Francisco sein Gegenüber. Doch als er das Gesicht des Königs sah, lehnte er sich zurück. Dom Jonos Miene war die schiere Ahnungslosigkeit.
»Um was für eine Mission handelt es sich denn?« Mit einer Serviette, so groß wie ein Handtuch, wischte Dom Jono sich das Fett von den Lippen. »Wir brauchen zweihunderttausend Golddukaten.«
»Zweihunderttausend? Das ist kein Pappenstiel.« »Eine Hand wäscht die andere! Die Firma Mendes wächst und gedeiht! Erst kürzlich habt Ihr Euer Wohnhaus ausgebaut, und die Speicher in Beiern platzen aus allen Fugen. Wem habt Ihr das zu verdanken? Meiner Regierung! Ohne den Seeweg nach Indien und die Entdeckung Amerikas hättet ihr Kaufleute doch nichts, womit ihr handeln könntet.« Der König hob sein Glas und prostete Francisco zu. »Auf unsere Freundschaft!« Das also war der Grund der Audienz - der König brauchte Geld, wie immer. Francisco war froh, in vertrautes Gewässer zurückzukehren. Doch während Dom Jono sein Glas in einem Zug leerte, nippte er nur an seinem Wein. Bei einer solchen Summe musste er nüchtern bleiben.
»Darf ich fragen, wofür Ihr das Geld braucht, Majestät?« »Für den Kaiser. Mein Schwager Karl will einen neuen Feldzug gegen die Osmanen führen. Die mohammedanischen Teufel marschieren Richtung Wien. Aber was habt Ihr, schmeckt Euch der Braten nicht?«
Der König, im Volk »der Fromme« genannt, hatte Francisco am Sabbat zur Audienz geladen, und damit nicht genug, hatte er ein Spanferkel auftischen lassen, um seinen Gast auf die Probe zu stellen. Doch mehr noch als das Schweinefleisch auf seinem Zinnteller machte Dom Jonos Forderung Francisco zu schaffen. Der osmanische Sultan war der einzige Herrscher in Europa, der den Juden die Ausübung ihres Glaubens erlaubte, und seine Hauptstadt Konstantinopel war der einzige Zufluchtsort für diese Verfolgten. Wenn Francisco den Krieg gegen Süleyman finanzierte, versündigte er sich an seinem Volk.
»Doch, doch, der Braten ist köstlich«, erwiderte er und würgte das Fleisch hinunter, obwohl es ihm vor Ekel fast im Hals stecken blieb. »Allerdings, auch die Mittel der Firma Mendes sind begrenzt, und zweihunderttausend Dukaten ...« »Ihr braucht Euch nicht zu verstellen«, lachte Dom Jono. »Ich sehe schon, dass es Euch nicht schmeckt.« Er winkte einen Diener herbei und ließ ein Fischgericht auftragen. »Übrigens, wie geht es Eurer Frau?«, fragte er im Plauderton. »Immer noch kein Stammhalter in Sicht?« Francisco schüttelte den Kopf.
»Schade. Doch dafür entwickelt sich Eure Tochter ja prächtig. Ich habe mit Freuden festgestellt, dass sie schon zur Messe geht. Brav, sehr brav. Wie alt ist sie inzwischen?« »Vier Jahre.«
»Schön, schön. Das Kind macht Euch und Eurer Frau sicher viel Freude, nicht wahr?«
Die Bemerkung versetzte Francisco einen Stich.
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