Die Gottessucherin
den fraglichen Fall aufgeklärt?«
»Einerseits ja, Tat und Täter sind bekannt. Andererseits - die Prüfungen, die ich erwähnte ...«
»Einerseits, andererseits? Deine Rede sei ja, ja, nein, nein! Ich hatte gehofft, Ihr bringt Beweise! Enttäuscht mich nicht! Die Zeichen stehen günstig wie noch nie!«
»Ehrwürdiger Vater!« Cornelius Scheppering sank auf die Knie und küsste die knochige Hand seines Ordensmeisters. »Ich habe gesündigt und möchte bekennen.«
»Ihr verlangt die Beichte?« Misstrauisch zog Carafa seine Hand zurück. »Nun gut. Wenn Glaubensnot Euer Herz bedrückt, darf ich mich nicht verweigern. Redet! Ich höre!« Mit heiserer, brüchiger Stimme begann Cornelius Scheppering zu sprechen, in aufrichtiger Zerknirschung, doch beseelt von der Zuversicht, dass keine Sünde zu groß ist für Gottes Barmherzigkeit und Gnade. Und wirklich, schon nach wenigen Sätzen verspürte er jene Seelenentlastung, die ihm weder die einsamen Gebete in den Pilgerkirchen noch die Aufbohrung der Fontanelle hatten verschaffen können. Wie Blut bei einem Aderlass quollen die Worte aus seinem Herzen hervor: Seine Reise nach Lissabon. Sein Gespräch mit dem König und dem Converso-Kommissar. Die Entschlüsselung der Papiere, die man bei der Leiche des Marranen Enrique Nunes entdeckt hatte. Erst am Ende seines Berichts geriet seine Rede ins Stocken, als sträubte sich seine Zunge, von jenem Reich des Bösen zu sprechen, das er in seiner eigenen Seele gefunden hatte. Doch mit der ganzen Kraft seines Glaubens überwand er sich, um auch davon Zeugnis abzulegen, von den letzten und finstersten Abgründen in seinem Herzen. Als er ausgesprochen hatte, war Carafas Gesicht so weiß wie die gekalkte Wand seiner Zelle, und sein Mund ein scharfer, dünner Strich. »Ihr habt also alle Beweise vernichtet? Ihr selbst - mit eigener Hand?«
»Ich war besessen von meiner Mission, Gracia Mendes zu bekehren.«
»Ihr wart besessen von Eurer Geilheit! Ihr habt diese Frau begattet!« Carafa schlug sich gegen die Stirn. »Ich kann es nicht fassen. Ein Dominikaner! Ein Mann Gottes! Habt Ihr wirklich nichts zurückbehalten?«
»Ich habe alle Papiere in den Kamin geworfen. Was sollte ich tun? Es war ein Befehl. Ich sah in das Gesicht der Jungfrau!« »Als Ihr einem nackten Judenweib gegenübergestanden habt? Ihr versündigt Euch!«
»Aber sie glich der Jungfrau aufs Haar«, rief Cornelius verzweifelt. »Genau so, wie sie mir am Totenbett meiner Mutter erschienen war.«
»Schweigt still!«, herrschte Carafa ihn an. »Um Eurer Seele willen! Herrgott - ich hatte solche Hoffnung in Euch gesetzt.« Er raufte sich den Brustbesatz seines Habits. »Welcher Teufel hat Euch nur geritten? Nur ein Teufel kann solche Verwirrung ...« Mitten im Satz wandte er sich ab.
Während er wortlos auf und ab ging, wagte Cornelius Scheppering kaum, ihn anzusehen. Carafas Gesicht schien noch hagerer als sonst, wie mit einem Messer geschnitzt, wölbten sich dicke Falten auf seiner Stirn. Fast war es, als könnte man sein Gehirn bei der Arbeit knirschen hören, so angestrengt dachte er nach. »Es gibt nur eine Erklärung«, sagte er schließlich. »Ihr meint - ein Zustand geistiger Verwirrung, der mich erfasste?«
»Unsinn! Der Verstand ist der Gottesfunke, den Gott in uns gesenkt hat. Wer an ihm zweifelt, zweifelt an Gott selbst.« »Welche Erklärung gibt es dann? Ich ... ich war von Sinnen!« »Hat die Jüdin Euch so verhext, dass Ihr die Wahrheit nicht seht? In diesem Weib ist Euch der Teufel erschienen!« Cornelius Scheppering schlug das Kreuzzeichen. »Heilige Muttergottes !«
»Ja, es ist der Teufel selbst gewesen, der Euch die Sinne verwirrt hat. Er und kein anderer hat Euch das Gesicht der Jungfrau vorgegaukelt.«
»Soll das heißen - ich ... ich habe mein Fleisch mit dem Teufel vermengt?«
»Allerdings! Diese Frau ist ein Succubus, ein Dämon der Unterwelt. Der Beweis ist leicht erbracht. Ihr, ein Mann in der Furcht Gottes, habt die Marranin Gracia Mendes aufgesucht, um sie zu bekehren. Doch sie hat Euch ihrerseits zur Sünde verführt und sich mit Euch vereint. Ein klassischer Fall. Unser deutscher Bruder Heinrich Institoris hat ihn in seinem Hexenhammer beschrieben.«
Cornelius Scheppering war es, als öffnete sich der Erdboden, um ihn in die Hölle hinabzureißen. »Gibt es ... gibt es noch Hoffnung für meine Seele?«, flüsterte er.
»Halten wir fest!« Carafa hob seine knöcherne Hand, um an den Fingern seine Argumente abzuzählen. »Ad primum:
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