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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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brauchte ein Mann wie er eine Frau in seinem Kontor? Schon bald aber erkannte Diogo, dass sein Bruder Gracia genauso gründlich in die Geschäfte eingearbeitet hatte wie vorzeiten ihn selbst. Erstaunlich war vor allem, mit welchem Einfallsreichtum sie es verstand, die Handelsbeziehungen der Firma zu nutzen, um ihren jüdischen Glaubensgenossen zu helfen, die vor der Inquisition aus Portugal fliehen mussten, wo die Blutgerichte und Scheiterhaufen inzwischen bis in die hintersten Provinzen Angst und Schrecken verbreiteten. Aber sosehr die Tüchtigkeit seiner Schwägerin Diogo auch beeindruckte, sie bereitete ihm zugleich große Sorgen. Was würde geschehen, wenn Gracia ihre Fähigkeiten nutzte, um sich mit ihrem Teil des Vermögens aus dem Staub zu machen? Ihre neue Heimat behagte ihr nicht, daraus machte sie keinen Hehl, sie traute dem wankelmütigen Kaiser so wenig wie dem nasskalten Wetter. Manches Mal hatte Diogo sogar den Eindruck, dass sie die Flüchtlinge beneidete, die nach ihrer Ankunft aus Portugal, statt in Flandern zu bleiben, weiterzogen in Richtung Osten, nach Konstantinopel, um bei den Türken ihr Heil zu suchen. Gracia hatte schon den Weg von Lissabon bis Antwerpen hinter sich gebracht, also würde sie es auch von Antwerpen ins Morgenland schaffen. Und dann wäre die Firma Mendes an der Börse nur noch die Hälfte wert.
    Diogo wusste, es gab nur eine Möglichkeit, um diese Gefahr auf Dauer zu bannen: Er musste Gracia heiraten. Sie allerdings weigerte sich strikt, und ihr Eigensinn war ebenso ausgeprägt wie ihr Verstand. Diogo, der nicht das geringste persönliche Interesse an seiner Schwägerin hatte, ahnte freilich den Grund ihrer Weigerung - schließlich kannte er sie, seit sie ein Kind war. Als kleines Mädchen, in Lissabon, hatte sie sich die abenteuerlichsten Geschichten ausgedacht, von schwarzen Pferden und Entführungen in finsterer Nacht. Vermutlich war sie eine von den Frauen, die glaubten, sie müssten einen Mann wirklich lieben, um ihn zu heiraten. Aber zum Teufel - was hatte die Ehe mit Liebe zu tun? Er selbst wollte sie ja auch nicht aus Liebe heiraten, sondern aus Vernunft!
    Liebe - kein Wort löste in Diogo heftigeren Widerwillen aus. Er hatte nur einmal in seinem Leben geliebt, Sarah Barroso, die Tochter eines Goldschmieds aus Galizien. Beim Richtfest des Judenhauses waren sie einander begegnet, die ganze Nacht hatten sie miteinander getanzt, und zwei Wochen später waren sie verlobt. Er war so verliebt gewesen in Sarah, dass er für sie auf alle Schätze der Erde verzichtet hätte.
    Doch dann, im Dezember 1540, die Ketubba war schon unterschrieben, hatte Kaiser Karl den Magistrat von Antwerpen angewiesen, die Marranen strenger zu überwachen, und als kurze Zeit später Gerüchte aufkamen, auch in Flandern drohe die Inquisition, da hatte Sarah ihn verlassen, um an seiner Stelle einen Christen zu heiraten.
    Diogo hatte noch nie so gelitten wie unter dem Verlust ihrer Liebe. Tagelang hatte er weder essen noch trinken können, und er brauchte über ein Jahr, um den Schmerz zu betäuben. Aber wie steht es geschrieben? Man muss den Herrn auch für das Böse preisen! Sarahs Verrat hatte ihm die Augen geöffnet, jetzt wusste er, wie es um das Wesen der Weiber stand. Und als sich dann noch zeigte, dass der Kaiser nicht im Traum daran dachte, das wohlhabendste Land seines Reiches den dominikanischen Glaubenseiferern zu überlassen, war Diogo für immer von der Liebe kuriert. Ohne sein Herz noch einmal zu verschenken, vergnügte er sich seither mit allen Frauen, die bereit waren, ihm zu Willen zu sein, und wenn Gott vergaß, ihm beizeiten ein solches Weib über den Weg zu schicken, so gab es im Hafen den Goldenen Anker, wo noch jeder auf seine Kosten gekommen war. Gracia streute Sand auf ihren Brief, um die Tinte zu trocknen, und blickte von ihrem Pult auf. Doch statt Diogo endlich eine Antwort zu geben, sagte sie: »Wir haben viel dringendere Sorgen. Der englische König hat den Hafen von London für unsere Schiffe gesperrt. Damit keine Juden aus Portugal mehr über England in die Niederlande fliehen können.«
    »Verdammte Schweinerei«, fluchte Diogo. »Die Gloria sollte von Lissabon tausend Ballen Chinaseide nach London bringen, um dort fünfhundert Fass Aquavit aufzunehmen. Wir müssen einen Ersatzhafen finden, bevor wir sie losschicken können.« »Aber in Lissabon wartet Samuel Usque mit unseren Glaubensbrüdern. Jeder Tag, den sie sich länger versteckt halten, kann für sie den Tod

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