Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06
einer Woche könnten sie
wieder zurück sein.
Rivkah, die ihren Sohn und ihre Schwiegertochter
beobachtete, mußte feststellen, daß die beiden jeden anderen im Raum vergessen zu haben schienen.
»Ja, wir gehen auf die Jagd«, erklärte Aschure mit festem Blick, und Axis lächelte. »Nun denn, worauf warten
wir noch?«
Sie lehnte sich im Sattel zurück, spürte bei jedem Schaukeln auf Venators Rücken den Rhythmus des Sternentanzes und warf Axis einen liebevollen Blick zu. Er wirkte
gelöst und heiter, trug sein hellbraunes Langhemd und
eine dazu passende Hose, und der blutrote Umhang wehte von seinen Schultern. Auf seiner Brust prangte die rote
Sonne. Aschure glaubte, sie habe ihn nicht mehr so
selbstbewußt erlebt, seit sie damals von Skarabost nach
Süden auf Karlon angeritten waren.
Bis auf die Alaunt begleitete sie niemand.
Seit zwei Tagen waren sie nun schon unterwegs, und
am nördlichen Horizont ragten bereits die Urqharthügel
auf. Am Abend würden sie dort ankommen.
Schlamm bedeckte die Bäuche und Beine der Rösser,
und eigentlich ließ sich auf diesem feuchten Grund
nachts schlecht schlafen. Dennoch genossen die beiden
die Rast im Matsch, bedeutete es doch, daß Gorgraels
Zugriff auf dieses Land erlahmt war und der Winter sich
immer weiter nach Norden zurückzog.
Die Hunde liefen ihnen voraus, ihre Nasen stets dicht
am Boden.
»Aschure, noch zwei Stunden«, rief Axis. »Ho’Demi
teilt mir gerade mit, daß sie uns am ersten Paß erwarten.«
Der Häuptling führte eine der Abteilungen, und wenn
er sich schon nicht gewillt zeigte, sich in die Schächte zu
begeben, mußte die Gefahr dort wirklich groß sein.
Die junge Frau nickte. Sie hatte zwar nicht Ho’Demis
genauen Wortlaut vernommen, aber Bruchstücke ihres
Gedankenaustausches mitbekommen. »Hat er Männer
verloren?«
»Fünf oder sechs. Offensichtlich gehörten sie zu der
ersten Gruppe, die in die Stollen eindrang. Aschure, seid
Ihr Euch auch sicher, daß Ihr es schaffen werdet?«
Der Krieger wirkte besorgt, und das nicht ohne Grund.
Nach den wenigen Berichten, die bei ihnen eingetroffen
waren, mußte vermutet werden, daß sich in den Nestern
unter den Urqharthügeln noch weit mehr Skrälinge aufhielten als damals in Hsingard. Und Aschure hatte ihm
damals nicht verschwiegen, wie erschöpft sie sich nach
der Jagd in dieser Stadt gefühlt habe.
Jetzt lächelte sie vor sich hin. »Mir wird schon nichts
geschehen, Liebster. Denn wir sind beide im letzten Monat gereift und gewachsen.« Sie warf den Kopf zurück
und lachte, weil der Wind so wunderbar ihr Haar zauste.
»Außerdem kämpfen wir beide zum ersten Mal seit Monaten wieder Seite an Seite!«
Die beiden waren so sehr miteinander beschäftigt, daß
keiner von ihnen den dunklen Fleck bemerkte, der hoch
am Himmel über ihnen kreiste.
Ho’Demi sprang auf, als er Hufgetrappel vernahm.
»Sternenmann! Zauberin!« Er eilte zu ihr, um ihr beim
Absteigen zu helfen, aber sie sprang schon aus dem Sattel, noch ehe er sie erreicht hatte.
»Häuptling.« Die junge Frau schüttelte ihm kurz die
Hand und trat beiseite, damit Axis ihn ebenfalls begrüßen
konnte. Dann blickte der Rabenbunder über die Schultern
der beiden und sah nur die Alaunt.
»Wo steckt denn Eure Streitmacht?« fragte er. »Wir
brauchen mindestens fünftausend Mann, um die Minen
auszuräuchern.«
Der Krieger nickte seiner Gemahlin zu und klopfte
dem Häuptling auf die Schulter. »Fünftausend, mein
Freund … oder lediglich Aschure und mich.«
Ho’Demi riß vor Schreck die Augen weit auf: »Sternenmann, Ihr könnt doch nicht ernstlich annehmen …«
Axis sah ihn in gespieltem Ernst streng an: »Zweifelt
Ihr etwa an uns, Häuptling?«
»Nein, nein, natürlich nicht, Sternenmann. Ich wollte
auch gar nicht …«
»Ho’Demi«, Aschure legte ihm eine Hand auf den
Arm, »berichtet uns alles, was Ihr über die Bergwerke in
Erfahrung gebracht habt. Habt Ihr auch die Opalgeister
eingesetzt, und konnten sie etwas herausfinden? Hausen
womöglich Vettern von ihnen dort unten, die uns helfen
könnten?«
Sie ließen sich am Feuer des Rabenbunders nieder auf
einem Boden, der hier in den Hügeln einigermaßen fest
und trocken war. Um sie herum saßen die Soldaten an
ihren eigenen Feuern, aber sie schauten immer wieder
nach dem Sternenmann und der Zauberin. Rasch breitete
sich unter ihnen die Nachricht aus, daß diese beiden ganz
allein die Minen von den Skrälingen befreien wollten.
»Ich fürchte, Herrin, daß
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