Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06
Erinnerung losreißen
müssen, um sich seinen fürstlichen Pflichten zu stellen.
Für den Krallenturm können wir nichts mehr tun. Wir
haben die Ikarier gewarnt, und Dornfeder hat die Mehrheit seines Volkes zu retten vermocht. Mehr ist uns leider
nicht möglich.«
In Gedanken fragte er seine Gemahlin, ob sie schon
irgend etwas gegen die Greifen unternehmen könne, aber
sie schüttelte nur den Kopf und wandte den Blick ab.
Aschure würde schon wissen, wann der rechte Moment
gekommen wäre, Jagd auf die Himmelsbestien zu machen. Noch war es nicht so weit. Die Zurückgebliebenen
in der Bergstadt würden sich selbst helfen müssen.
Falls der Krallenturm angegriffen würde.
Davon abgesehen, wünschte die junge Frau auch zur
jetzigen Zeit noch nicht, sich in den Norden zu begeben.
Ein unbestimmtes Gefühl sagte ihr nämlich, daß sie in
einem, längstens zwei Monaten viel dringender im Osten
benötigt würde. Wegen einer anderen Gefahr als der der
Greifen.
Um Faraday beizustehen.
Artor lauerte noch im Osten. Das vermutliche, nein,
wahrscheinliche Ende von Rabenhorst, Hellefeder und
den anderen Ältesten zerriß ihr zwar das Herz, aber wenn
Artor sich wirklich daranmachte, die Baumfreundin aufzuhalten, würde das eine Katastrophe bedeuten. So
schwieg Aschure lieber zu dem Drama im Krallenturm.
Außerdem gab es auch in Ichtar noch sehr viel zu tun.
Mit dem Ende des Rabenmondes widmete sich Axis seiner nächsten Aufgabe, der Rückeroberung Ichtars. Er
schickte immer wieder Kundschafter aus, und diese bestätigten ihm, daß das Heer der Skrälinge sich tatsächlich
in den hohen Norden zurückgezogen hatte.
Nachdem darüber Gewißheit bestand, gab der General
Befehl, daß das alte Herzogtum von allen verbliebenen
Geisternestern zu befreien sei. Er schickte mehrere Abteilungen von jeweils tausend Mann nach Ichtar, die diese Nester ausfindig machen sollten. Diese wurden von
Spähern begleitet, die im Falle eines Fundes zurückkehrten und diesen dem General meldeten.
Bis zur Mitte des Hungermondes erhielt Axis die Meldung, daß mehrere kleinere Nester entdeckt und unter
geringen eigenen Verlusten zerstört worden seien. Hsingard war wohl die Hauptbrutstätte der Skrälinge gewesen, und der hatte bereits Aschure den Garaus gemacht.
Nun, in der zweiten Woche des Hungermondes, traf
die Nachricht ein, daß eine der Abteilungen auf eine ganze Reihe von Nestern gestoßen sei, in denen sich so viele
Kreaturen herumtrieben, daß sie unmöglich mit den tausend Mann besiegt werden konnten.
»Wo liegen diese Nester?« fragte der Krieger den ikarischen Kundschafter.
»In den nördlichen Urqharthügeln.«
»Wohl in den Stollen«, bemerkte Rivkah. Sie stand am
Fenster des Kartenraums und drehte sich jetzt um. Axis
richtete den Blick nur auf ihr Gesicht, weil er sich nicht
davon ablenken lassen wollte, wie sehr ihr Leib mittlerweile angeschwollen war. Seit einem Monat hielt er sich
nun hier auf, und in der ganzen Zeit hatten sie kein einziges Mal über ihre Schwangerschaft gesprochen.
»Die dortigen Bergwerke gehören zu den ausgedehntesten und reichsten in den gesamten Urqharthügeln.«
Rivkah ließ sich am Tisch nieder, und der Krieger mußte
sich nicht mehr bemühen, überall hin, nur nicht auf ihren
Bauch zu starren. »Searlas teilte mir einmal voller Stolz
mit, daß die Schächte zwei Meilen und mehr in den Erdboden reichten. Und die Tunnelanlage erstrecke sich über
viele Meilen unter den Hügeln.«
»Zehntausende Skrälinge könnten sich dort aufhalten«, murmelte Aschure und betrachtete die Hunde zu
ihren Füßen. »Die Abteilung da draußen kann ihnen wenig anhaben. Wenn die Männer in die Stollen eindringen
würden, wäre das rasch ihr Ende.«
Axis zwinkerte ihr zu: »Liebste, mir ist neulich klar
geworden, daß wir hier schon lange sicher und im Warmen hocken, eingehüllt in die liebevollen Nebel Sigholts.
Derweil stellen sich Belial und Magariz den unterschiedlichsten Gefahren und heimsen den ganzen Ruhm der
Jagd auf die Skrälinge ein. Bald wird man an den Lagerfeuern nur noch von ihren Heldentaten singen und uns
dann längst vergessen haben.«
Sie lächelte. »Mir ist auch aufgefallen, daß wir vom
Nichtstun fett und träge werden.«
»Sollen wir auf die Jagd gehen?« flüsterte der Krieger,
und Aschure rauschte das Blut in den Adern. Die Urqharthügel lagen nur einige wenige Tagesritte entfernt,
und für die Jagd selbst würden sie kaum länger als eine
Nacht benötigen. In weniger als
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