Die Gouvernante und ihr geliebtes Ungeheuer („Geliebte Widersacher“) (German Edition)
verstehen. Er hatte ihre Schwester bedroht. Er hatte ihr Wohlergehen bedroht. Aber dies … dies war vielleicht das Schlimmste, was er bislang zu ihr gesagt hatte.
Es erinnerte sie an das lächerliche, unerklärliche Gefühl von Sicherheit, das sie in seiner Gegenwart verspürt hatte, die Anziehungskraft, die zwischen ihn pulste. Diese Worte trafen sie an ihrer verwundbarsten Stelle und verhöhnten ihre geheimsten Träume.
Aber sie würde sich nicht einschüchtern lassen. Sie würde nicht verwundbar sein. Die Zukunft ihres Kindes stand auf dem Spiel, und egal, welche Waffe Mr. Marshall auf sie richtete, sie würde nicht mit der Wimper zucken.
Serena reckte das Kinn, kritzelte ihre Antwort.
Ich habe mich schon gefragt, wann Sie anfangen wollten, mir mit einem Schicksal zu drohen, das schlimmer ist als der Tod. Glückwunsch, Mr. Marshall. Hiermit erkläre ich mich hochoffiziell als verängstigt.
Kapitel fünf
E S WAR LANGE NACH E INBRUCH der Dunkelheit, als Hugo unmelodisch vor sich hin pfeifend das Haus verließ.
Er sollte nicht so lächerlich zufrieden mit sich sein – er hatte immer noch keine Idee, was er wegen Miss Barton unternehmen sollte. Dennoch, als sie ihn übertrumpft hatte – zum dritten Mal! – mit dieser bissigen Bemerkung über Schicksale, die schlimmer als der Tod waren, hatte er breit gegrinst. Dieses Grinsen war nicht verblasst, in den ganzen Stunden nicht, die seitdem vergangen waren, und das, obwohl er wesentlich länger als gewöhnlich bleiben musste, um seine Arbeit zu beenden.
Er kam aus der Gasse hinter dem Haus und bog in die Straße ein, klopfte mit seinem Spazierstock einen fröhlichen Takt auf den Gehsteig. Doch dann blieb er jäh stehen.
Miss Barton saß immer noch auf der Bank.
Im Dunkeln hatte er sie von seinem Fenster aus nicht gesehen. Er hatte angenommen, sie sei gegangen. Wenn er gewusst hätte, dass sie noch da war … Nein. Er war sich nicht sicher, was er getan hätte, wenn er gewusst hätte, dass sie im Dunkeln wartete, wo jeder Schurke sie belästigen konnte. Er überquerte langsam die Straße.
„Miss Barton?“, fragte er mit tiefer drohender Stimme. „Was tun Sie noch hier?“
Bei seinem Näherkommen stand sie auf. Ihr Gesicht war grimmig entschlossen. „Was denken Sie denn? Ich warte darauf, mit Ihnen zu sprechen.“
„Mit mir?“ Er machte einen weiteren Schritt auf sie zu. „Warum?“
Er konnte ihre Miene nicht erkennen. Die Straßenlaterne befand sich zehn Fuß hinter ihm, tauchte ihr Gesicht in Schatten. Sie ging zu ihm, und seine schlummernde Bewusstheit ihrer Nähe erwachte brüllend zum Leben. Sie war ein gutes Stück kleiner als er. Der Stoff ihrer Röcke raschelte im Dunkeln. Ihre Schritte waren fest und selbstsicher; ihr Kuss würde ebenso selbstsicher sein. Seine Haut prickelte in Vorfreude, als sie zu ihm kam, in Reichweite.
Ehe er eine Chance hatte, nachzudenken, machte sie eine Faust und schlug ihn auf das Kinn.
Er fing ihre Hand ab, bevor sie es wiederholen konnte. „Schlagen Sie einen Mann nie mit geschlossener Faust“, riet er ihr.
Er konnte ihren Puls fühlen.
„Warum? Weil es Ihnen einen Vorwand bietet, mich unsanft anzufassen?“
Er ließ sie los. „Geben Sie ihm lieber eine Ohrfeige mit der flachen Hand.“
„Ha.“
„Dadurch wird er Sie weniger ernst nehmen, sodass es ihn völlig überrumpelt, wenn Sie ihm das Knie in den Schritt rammen.“
Sie lachte überrascht auf.
„Das ist besser“, hörte Hugo sich sagen. „Ich habe meinen Tag damit verbracht, mit einer schönen, mich wahnsinnig machenden Frau zu schäkern“, teilte er ihr mit. „Und wie war Ihr Tag?“
Sie schnaubte. „Ich habe meine Zeit damit verbracht, heimtückische und feige Drohungen zu erhalten“, entgegnete sie scharf. „Davon abgesehen war es ein netter Tag.“
Hugos blendende Laune verdüsterte sich etwas. „Ach ja?“
„Ja“, erwiderte sie voller Leidenschaft. „Und sobald er in seiner Wachsamkeit nachlässt, werde ich dem Kerl, der mir droht, Vernunft einbläuen.“
„War ich denn wirklich so schlimm?“ Entschuldigte er sich allen Ernstes bei ihr dafür, dass er seine Arbeit getan hatte? Nein. Natürlich nicht. Das wäre lachhaft.
Sie stemmte sich die Hände in die Hüften. „Sie haben den Vermieter meiner Schwester überredet, sie auf die Straße zu setzen, praktisch ohne angemessene Frist. Wir sollen die Wohnung in zwei Tagen räumen. Zwei Tagen .“
„Können Sie sonst nirgendwo unterkommen?“
„Sie verstehen das nicht.
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