Die Gouvernante und ihr geliebtes Ungeheuer („Geliebte Widersacher“) (German Edition)
Herzog.
Daher erwiderte sie seinen Blick. Ich habe keine Angst vor dir , dachte sie. Und wenn die Klammheit ihrer Hände auch etwas anderes verriet, so bestand dennoch keine Notwendigkeit, ihm das mitzuteilen.
Aber er war nur ein Arbeiter, wenn sie die mittlere Stoffqualität seines Rockes richtig einschätzte. Alles an ihm war durchschnittlich. Er war nicht sonderlich groß, aber auch nicht klein. Er war weder dünn noch dick. Das Höchste, was sie sich vorstellen konnte, was irgendjemand über ihn sagen könnte, wäre wohl, dass er fast schon ansteckend durchschnittlich wirkte.
Er sah sicher aus. Ein absolut alberner Gedanke, keine Frage. Dennoch erwiderte Serena seinen Blick, lächelte und nickte dem Mann höflich, aber leicht herablassend zu.
Er überquerte die Straße, kam zu ihr.
Er war so wenig bemerkenswert wie die Büsche, die den Platz säumten. Er hatte ein Allerweltsgesicht, das so vertraut wirkte, dass es jedem hätte gehören können. Er erwiderte ihr Lächeln freundlich und unaufdringlich.
Darauf ging sie nicht ein. Sie war nicht nett, sie war nicht leicht zu haben, und sie war es leid, Opfer zu sein. Sie warf ihm einen scharfen Blick zu – ein Heben ihrer Augenbraue, das ihm eindeutig sagte: Verschwenden Sie bloß nicht meine Zeit.
Ein Mann, der so gewöhnlich war, wie dieser hier, hätte sich von ihrem Gesichtsausdruck abschrecken lassen müssen. Aber er kam einfach zur Bank und setzte sich, ohne lange zu fragen, neben sie.
„Netter Tag“, bemerkte er.
Seine Stimme war wie sein Gesicht: nicht zu hoch und nicht zu tief. Er hatte nicht die gedehnte leicht träge Sprechweise des Adels; in seiner Sprache schwang etwas mit, das sie vage an den Norden des Landes erinnerte.
„Ach ja?“ Es war kein netter Tag – nicht, wenn man wie sie lange genug hier draußen gesessen hatte, dass die Nasenspitze ganz rot geworden war. Nicht, wenn sich wie bei ihr ein wildfremder Mann neben einen setzte und eine Unterhaltung anfing.
Sie drehte sich zu ihm um und runzelte die Stirn.
Er beobachtete sie mit einem rätselhaften kleinen Lächeln. „Ich glaube, es gibt keinen guten Weg, von hier aus weiterzumachen.“
Sie seufzte. „Sie sind wegen des Klatsches gekommen, nicht wahr?“
„Das könnte man so sagen.“ Er verspannte sich, dann sah er ihr ins Gesicht. „Mein Name ist übrigens Hugo Marshall.“ Er warf ihr die Vorstellung hin, dann lehnte er sich zurück, als wartete er auf ihre Antwort.
War er ein wichtiger Mann? Sie erinnerte sich an die Dienstboten, die sich rasch entfernt hatten, als er gekommen war. Vielleicht war er so etwas wie ein Anwalt, der andere anschwärzen konnte. Oder Butler, der die Einhaltung von Regeln überwachte. Er sah eigentlich zu jung aus, um hier in Mayfair schon Butler zu sein, aber was auch immer er war, er würde nicht einfach weggehen.
Sie hätte eine Frau bevorzugt, um die Gerüchteküche in Gang zu bringen – es fiel ihr leichter, mit Frauen zu reden. Aber vielleicht würde der hier auch gehen.
„Miss Serena Barton“, sagte sie schließlich. „Ich nehme an, alle wollen wissen, warum ich hier bin.“
Er zuckte die Achseln, schenkte ihr ein weiteres nettes Lächeln. „Ich habe keinerlei Interesse an irgendwem“, antwortete er glatt. „Aber ich wünschte, Sie würden meine persönliche Neugier befriedigen. Die Schilderungen, die mir zu Ohren gekommen sind, klingen reichlich verworren.“
Sie hatte nicht die Absicht, bei ihm irgendwas zu befriedigen. Wegen ihres Schweigens hatte sie einen schlimmen Schicksalsschlag einstecken müssen – war in Schande geraten. Jetzt war sie an der Reihe, auszuteilen.
Der Duke of Clermont hatte ihr gesagt, sie solle den Mund halten. Das würde sie.
„Schilderungen? Was für Schilderungen?“, fragte sie.
„Ich habe gehört, Sie seien Clermonts ehemalige Mätresse.“
Als Kommentar dazu hob sie eine einzelne Augenbraue. Schweigen war ein zweischneidiges Schwert. So konnte es beispielsweise auch Schaden anrichten, wenn man darauf verzichtete, ein Gerücht abzustreiten. Sie wünschte Clermont viel Freude an ihrem Schweigen.
Er trommelte mit den Fingern auf die Armlehnen der Bank, erwiderte ihren Blick. „Ich habe gehört, dass Sie Gouvernante seien und dass Clermont Ihnen eine Stellung für sein ungeborenes Kind angeboten habe. Als er einen Rückzieher machte, haben Sie sich entschlossen, hier draußen auf der Bank zu sitzen, um ihn zu beschämen, weil er den Vertrag gebrochen hat.“
Das war derart albern und weit
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