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Die Gouvernante und ihr geliebtes Ungeheuer („Geliebte Widersacher“) (German Edition)

Die Gouvernante und ihr geliebtes Ungeheuer („Geliebte Widersacher“) (German Edition)

Titel: Die Gouvernante und ihr geliebtes Ungeheuer („Geliebte Widersacher“) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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das noch einmal zu tun?“
    Das Bild eines dunklen Zimmers unter dem Giebel auf dem Dach schoss Serena durch den Kopf. Sie konnte Clermont sehen, wie er den Kopf einzog, als er durch die niedrige Tür trat, konnte wieder das Geräusch hören, mit dem sich die Tür hinter ihm schloss.
    Sie erschauerte.
    Sie wollte einen Beweis dafür, dass sie sich nicht verängstigt in die Ecke kauerte, egal was ihr zustieß. Sie wollte diese schwere Bürde aus Scham, hilfloser Wut und Verwirrung abstreifen.
    Serena legte sich eine Hand auf den noch flachen Bauch. Sie hatte im Moment genug zu bewältigen.
    „Ich will Gerechtigkeit.“ Die Worte fühlten sich flach in ihrem Mund an, aber zugleich so scharf. „Ich will ihm zeigen, dass er so nicht gewinnen kann.“ Ihre Finger krümmten sich, so sehr wünschte sie sich das. „Dass er nicht einfach …“
    Freddy rümpfte die Nase. „Wir haben doch genug, um zu überleben“, sagte sie, als sei Geld ein Ersatz für Gerechtigkeit. „Bleib bei mir. Ich habe dir immer gesagt, das solltest du tun. Aber nein, du musstest ja unbedingt fort und Gouvernante werden, obwohl wir genug geerbt hatten, um davon zu leben, solange wir klug wirtschaften.“
    „Uns sind fünfzehn Pfund im Jahr geblieben“, wandte Serena ein. Genug, um nicht verhungern zu müssen; genug, um ein Dach über dem Kopf zu haben. Aber jedes Jahr stiegen die Lebenshaltungskosten. Es war keine besondere prophetische Gabe nötig gewesen, um zu erkennen, dass in zwanzig Jahren die Kosten die Einkünfte übersteigen würden.
    „Aber“, sagte Freddy und fuhr mit ihrer Standpauke fort, „du hast ja mehr haben wollen. Du hast immer mehr haben wollen. Und jetzt sieh dir an, wohin dich das gebracht hat. Gerechtigkeit kann man nicht essen.“
    Nein, aber wenigstens würde sie nicht daran ersticken. Serena lockerte ihre verkrampfte Hand, die sie zur Faust geballt hatte.
    „Übrigens“, sprach Freddy beiläufig weiter, „was hat es dir denn nun eingebracht?“
    „Keine Stellung“, entgegnete Serena leicht gereizt. „Und keine Hoffnung auf ein Empfehlungsschreiben für eine neue Position.“
    „All deine schönen Pläne“, sagte Freddy, halb tadelnd, halb tröstend, „und alles für nichts. Am besten gar nicht erst träumen, Liebes. Wenn du das nicht tust, dann kann dir auch nichts genommen werden.“
    Das war reine Feigheit. Freddy zerrieb sich vor Sorge, wenn sie nur über die Straße gehen musste, um Milch zu kaufen. Als sie auf den Hof der Postkutschenstation gekommen war, wo Serena ausgestiegen war, waren ihre Lippen ganz weiß gewesen und hatten gezittert. Auf dem ganzen Heimweg hatte sie über Schmerzen in der Brust geklagt. Freddy kam mit Veränderungen nicht gut zurecht, und nichts änderte sich so schnell wie die Welt vor ihrer Tür.
    Es gab einen Grund, weshalb Serena ihrer Schwester ihren Anteil des väterlichen Erbes überschrieben hatte. Freddy hätte allein nicht mit ihrer Hälfte überleben können. Und sie war nicht imstande, das Fehlende irgendwie auszugleichen.
    „All deine feinen Pläne“, wiederholte Freddy sanft, „und jetzt bist du hier. Mit nichts. Nein, mit weniger als nichts.“
    „Nein“, erwiderte sie mit belegter Stimme. „Nicht … nicht nichts.“
    „Mit Albträumen und einem Baby unterwegs.“
    Serena hielt die Augen weit geöffnet. Ihre Hände zitterten. Das sollten sie nicht; sie presste sie gegen ihre Röcke, bis sie ruhig wurden. Sie stellte sich den Funken Leben vor, der in ihr wuchs, direkt neben der schwelenden Wut. Manchmal fürchtete sie, all dieser kalte, bebende Zorn würde ihr Kind bei lebendigem Leibe verzehren. Nicht, wenn ich erst einmal gewonnen habe. Dann werde ich sicher sein, und mir wird nie wieder wehgetan werden.
    „Ich habe es dir bereits gesagt“, sagte sie. Ihre Stimme klang auch in ihren eigenen Ohren weit entfernt. „Ich habe keine Albträume. Ich habe keine Zeit, vor irgendetwas Angst zu haben.“
    Bei ihrer letzten Anstellung hatten die Wolvertons ein Mikroskop für den Naturkundeunterricht ihrer Kinder angeschafft. Sie hatten alles Mögliche dadurch betrachtet. Manchmal schien ihr die Erinnerung, die durch ihre Träume geisterte, wie eines dieser vergrößerten Bilder. Die Ränder waren unscharf, verzerrt durch den Farbeffekt eines dunklen Schattenkranzes. Sie fühlte sich, als blickte sie auf etwas sehr Kleines, sehr weit Entferntes. So weit weg, dass es beinahe gar nicht passierte.
    Sie hatte sich da so hilflos gefühlt, so völlig ahnungslos, wie

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