Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
äußerte, dass Thone nicht restlos zu ergründen vermochte, worin sie begründet lag.
In anderer Hinsicht war der Wandel hingegen nur allzu offensichtlich. Bislang hatten Falmers Redseligkeit und seine gute Laune auch schlimmster Entbehrung und Krankheit getrotzt. Nun jedoch wirkte er unwirsch und maulfaul, als würde sein Denken zur Gänze von völlig anderen Dingen unliebsamer Natur beherrscht. Sein gutmütig-derbes Gesicht erschien jetzt hohlwangig – geradezu ausgemergelt – und seine Augen hatten sich zu abweisenden Schlitzen verengt. Diese Wandlung beunruhigte Thone, wenngleich er seine Wahrnehmungen als kränkliche, bedeutungslose Einbildungen abzutun versuchte, verursacht durch sein mittlerweile im Abklingen begriffenes Fieber.
»Aber kannst du mir denn diesen Ort nicht genauer beschreiben?«, hakte er nach.
»Da gibt’s nicht viel zu beschreiben«, entgegnete Falmer in eigenartig unwilligem Tonfall. »Nichts als bröckelnde Mauerreste, überwuchert und halb verschlungen von Urwaldgestrüpp, dazu ein paar umgestürzte, von Schlingpflanzen umrankte Säulen.«
»Aber hast du denn nicht die unterirdische Begräbnisstätte entdeckt, von der die Sagen der Indios berichten. Die, in der das Gold versteckt sein soll?«
»Oh doch, das habe ich. Die Höhle war bereits im Einsinken begriffen, daher konnte ich sie unschwer verfehlen – aber einen Goldschatz habe ich dort nicht gefunden.« Farmers Stimme hatte einen so abschreckend gereizten Tonfall angenommen, dass Thone es vorzog, sich weitere Fragen zu verkneifen.
»Ich schätze«, äußerte er leichthin, »dass wir besser bei der Orchideenjagd geblieben wären. Die Schatzsuche scheint uns nicht zu liegen. Apropos … hast du während deines Abstechers irgendwelche außergewöhnlichen Blüten oder Gewächse zu Gesicht bekommen?«
»Herrgott noch mal, nein! «, schnauzte Farmer. Sein Gesicht war im Flammenschein mit einem Mal aschfahl geworden und seine Augen hatten einen harten Glanz angenommen, der sowohl Furcht als auch Wut signalisieren mochte. »Kannst du nicht endlich Ruhe geben? Ich habe keine Lust zu reden. Mir tut schon den ganzen Tag lang der Kopf weh – bestimmt ist so ein verdammtes venezolanisches Fieber im Anmarsch. Wir sollten morgen zum Orinoko aufbrechen, egal ob wir beide krank sind. Ich habe die Schnauze voll von dieser Reise.«
James Falmer und Roderick Thone, berufsmäßige Orchideenjäger, waren in Begleitung zweier Führer der Indios einen unerforschten Nebenfluss des oberen Orinoko hinaufgefahren. In dieser Gegend gedieh eine üppige Vielfalt seltener Blumen, doch abgesehen von der reichen Flora dieser Gegend hatten auch unbestimmte und doch hartnäckige Gerüchte der ortsansässigen Eingeborenenstämme über eine am Nebenfluss gelegene Ruinenstadt die beiden geködert: eine Stadt, die eine unterirdische Begräbnisstätte besitzen sollte, in der zusammen mit den Toten irgendeines namenlosen Volkes gewaltige Gold-, Silber- und Edelsteinschätze als Grabbeigaben lagerten.
Diese Gerüchte stammten nie aus erster Hand, aber die zwei Männer hatten es trotzdem als lohnenswert erachtet, ihnen auf den Grund zu gehen. Als sie noch eine volle Tagesreise bis zur sagenhaften Ruinenstätte zurückzulegen hatten, war Thone erkrankt, und so setzte Falmer die Reise zunächst gemeinsam mit einem der Indios im Kanu fort, während Thone unter der Obhut des zweiten Führers zurückblieb. Am dritten Tag nach seiner Abreise war Falmer im Anbruch der Dunkelheit wiedergekehrt.
Nachdem Thone eine Weile lang dagelegen und seinen Gefährten angestarrt hatte, gelangte er zu dem Schluss, dass dessen Verschlossenheit und üble Laune womöglich von der Enttäuschung über die erfolglose Schatzsuche herrührten. Ja, das war’s wohl – verstärkt durch ein Tropenfieber, das in Falmers Körper steckte. Andererseits, so gestand Thone sich zweifelnd ein, sah es Falmer unähnlich, unter solchen Umständen die gute Laune oder den Mut zu verlieren. Soweit er es bislang beurteilen konnte, gehörten Habsucht und Geldgier nicht zu den Charaktereigenschaften dieses Mannes.
Falmer sagte nichts mehr, sondern saß bloß da und stierte vor sich hin. Er machte den Eindruck, als erblicke er etwas, das sich jenseits des Labyrinths aus vom Feuer beschienenen Zweigen und Lianen verbarg, in dem die verstohlene, raunende Finsternis lauerte – und nur er allein schien es sehen zu können. Eine schattenhafte Furcht sprach aus seinem Gesicht. Thone musterte ihn unverwandt und
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