Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
flüsterten und dem Kranken ängstliche und scheue, ja durchaus von Grauen gezeichnete Blicke zuwarfen, die Thone sehr zu denken gaben. Er spürte, dass ein teuflisches Geheimnis die ganze Angelegenheit umgab, und er konnte keine Erklärung dafür finden, was mit Falmer nicht stimmte. Vor seinem inneren Auge zogen sämtliche bekannten Erscheinungsformen gefährlicher Tropenkrankheiten vorbei wie ein Reigen grässlicher Fieberphantome. Doch das, was seinen Kameraden befallen hatte, vermochte er darunter nicht entdecken.
Nachdem er Falmer ohne die Hilfe der widerstrebenden Indioführer, die den Kranken weder berühren noch ihm nahekommen mochten, auf einem halbkreisförmigen, von Lianen umwucherten Strandflecken an Land gebracht hatte, spritzte Thone ihm eine hohe Dosis Morphium aus dem Arzneikoffer. Dies schien Falmer zu helfen und seine Krampfanfälle hörten auf. Thone nutzte die Gelegenheit, um Falmers Hinterkopf in Ruhe zu begutachten.
Zu seiner Bestürzung entdeckte er zwischen dem dichten, zerwühlten Haar einen harten und buckeligen Auswuchs, der auf sonderbare Weise der Spitze eines neu sprießenden Horns glich, das kurz davor stand, die noch unverletzte Kopfhaut zu durchbrechen. Wie erfüllt von unbezähmbarem, schwellendem Leben schien das Horn unter Thones tastenden Fingern emporzuwachsen.
In diesem Moment schlug Falmer überraschend und unerklärlich die Augen auf und schien wieder voll zu Bewusstsein zu kommen, so als habe er nicht nur die Wirkung der Morphium-Spritze überwunden, sondern ebenso die Betäubung seiner unbekannten Erkrankung. Für die Dauer mehrerer Minuten war er wieder ganz der Alte wie zu keinem anderen Zeitpunkt seit seiner Rückkehr aus der Ruinenstadt. Er begann zu reden, als dränge es ihn, sich eine drückende Last von der Seele zu wälzen. Seine Stimme klang seltsam schwerfällig und tonlos, doch Thone, der in halbem, schrecklichem Begreifen lauschte, vermochte Falmers Gemurmel zu folgen und einen sinnvollen Zusammenhang herzustellen.
»Die Stätte! Die unterirdische Begräbnisstätte!«, sprach Falmer. »Das Höllending, das dort unten in dem tiefen Grab war! … Auch die Schätze eines Dutzend El Dorados würden mich nicht dorthin zurückbringen … Ich habe dir nicht viel über diese Ruinen erzählt, Thone. Irgendwie war es schwer – so unendlich schwer – passende Worte dafür zu finden.
Ich glaube, der Indio hat gewusst, dass es in diesen Ruinen nicht ganz geheuer war. Er führte mich wunschgemäß dorthin … aber er wollte mir nichts darüber sagen. Und er wartete in sicherer Entfernung am Flussufer auf mich, während ich nach dem Schatz suchte.
Gewaltige graue Mauern gab es dort, älter als der Dschungel – so alt wie die Zeit und der Tod. Sie glichen nichts, was ich jemals gesehen habe. Ihre Quader müssen von einem Volk behauen und übereinander getürmt worden sein, das von einem vergessenen Kontinent oder verschollenen Planeten stammt. Die Blöcke ragten schief in irrwitzigen, widernatürlichen Winkeln empor, ständig in Gefahr, einzustürzen und die in der Nähe wachsenden Bäume unter sich zu begraben. Auch gab’s dort Säulen: fette, gedunsene Säulen von unheiliger Form, deren abstoßende Reliefs die wuchernde Dschungelwildnis noch nicht gänzlich verborgen hatte.
Mein Gott! Jene fluchbeladene Begräbnisstätte! Sie war nicht schwer zu finden. Wie es aussah, war der Pflasterboden, unter dem sie gelegen ist, erst vor Kurzem eingebrochen. Ein Baumriese hatte mit seinen Wurzeln, so dick wie Würgeschlangen, die meterdicken Steinplatten emporgedrückt, die unter einer jahrhundertealten Kompostschicht begraben lagen. Eine der Platten war rücklings auf das Pflaster gekippt und eine weitere durch das Loch in den Hohlraum hinabgestürzt. Im gedämpften Licht, das durch das Dickicht des Urwalds drang, erkannte ich gerade noch den Boden dieser Höhlung. Etwas schimmerte hell von dort unten hinauf. Doch konnte ich nicht genau erkennen, worum es sich handelte.
Wie du weißt, hatte ich eine lange Seilrolle mitgenommen. Eines der Seilenden band ich an eine der stärkeren Wurzeln des Baums, das andere warf ich durch die Öffnung und hangelte mich wie ein Affe daran hinab. Als ich festen Boden unter den Füßen spürte, enthüllte mir das herrschende Halbdunkel zunächst nicht viel, abgesehen von dem weißlichen Schimmer ringsumher zu meinen Füßen. Etwas knirschte und gab unter meinen Sohlen nach, sobald ich den ersten Schritt tat – etwas unsagbar Morsches und
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