Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
ungeschütztem Haupt, der in seinem Schreck angesichts der Mumienzerstäubung noch immer dicht vor der Mauer verharrte. In dieser Sekunde endlich durchzuckte mich mit einem Anflug nackten Grauens die Erinnerung an jenes Ding, das sich im Schein der Zwillingsmonde Zentimeter für Zentimeter aus den Schatten von Yoh-Vombis gelöst hatte und bei der ersten Bewegung, mit der ich aus dem Schlaf fuhr, wie ein Traumgebilde zurückgeschlüpft war.
Einem straff gespannten Lappen gleich, schmiegte sich das Ding eng um Octaves Scheitel, Stirn und Augen, während er selbst abwechselnd schrille Schreie und abgerissene Hilferufe ausstieß. Unterdessen zerrte er mit verzweifelt krallenden Fingern an der Haube, ohne sich jedoch von ihr befreien zu können. Dann schwollen seine Schreie zu einem schmerzgepeinigten Kreischen an, als wäre er irgendeiner höllischen Folter unterworfen. Dazu tobte und hüpfte er blindlings in der Katakombe umher und wich uns mit unfassbarer Flinkheit aus, als wir samt und sämtlich vorstürzten in dem Versuch, ihn zu ergreifen und von seiner unheimlichen Bürde zu erlösen. Das ganze Geschehen war so unbegreiflich wie ein Albtraum. Doch was das da auf Octaves Kopf gelandet war, stellte eindeutig eine marsianische Lebensform dar, die allen bekannten wissenschaftlichen Tatsachen zum Hohn in diesen vorzeitlichen Katakomben überdauert hatte. Falls es irgendwie möglich war, mussten wir Octave aus ihrem Zugriff erretten.
Wir versuchten, unseren wie ein Irrwisch umhertobenden Expeditionsleiter einzukreisen – was in dem begrenzten Raum zwischen den hintersten Urnen und der Wand ein Leichtes hätte sein müssen. Tatsächlich aber schoss er uns unter den Händen davon und jagte, was angesichts seiner behinderten Sicht doppelt verblüffend war, in einem Bogen um uns herum. Dann zischte er an uns vorbei und entschwand zwischen den Urnen in Richtung des tiefergelegenen Labyrinths der Katakomben.
»Großer Gott! Was ist mit ihm geschehen?«, schrie Harper. »Er führt sich ja auf wie ein Besessener!«
Doch blieb jetzt keine Zeit, um dieses Rätsel zu erörtern. Trotz unserer Verblüffung hefteten wir uns so schnell es ging an Octaves Fersen. Die Finsternis hatte ihn bereits verschluckt und als wir ihm bis zur ersten Gewölbeverzweigung gefolgt waren, wussten wir nicht, durch welchen der Gänge er seine Flucht fortgesetzt hatte. Plötzlich jedoch vernahmen wir einen gellenden Schrei, der sich mehrmals wiederholte und aus einer weit zu unserer Linken abgehenden Katakombe ertönte. Etwas Unheimliches, Unirdisches haftete diesen Schreien an. Dies mochte an der seit Ewigkeiten unbewegten Luft liegen oder an der eigentümlichen Akustik der verschlungenen Kavernen … doch irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie einer menschlichen Kehle entstammten – zumindest nicht der eines lebenden Menschen. In den Schreien schwang eine seelenlose, mechanische Qual mit, als wären sie einem vom Teufel besessenen Leichnam entrissen.
Mit den Lichtkegeln der Stablampen trieben wir eine Schneise durch die taumelnden, zerstiebenden Schatten und rannten zwischen den Kolonnen mannshoher Urnen dahin. Die Schreie waren längst verstummt. Dann klang weit vor uns das schwache, gedämpfte Tappen eilender Füße durch die Grabesstille. Hals über Kopf setzten wir die Jagd fort. Doch in der verdorbenen, pestilenzialischen Luft rangen wir binnen kürzester Zeit qualvoll um Atem. Wir mussten unser Tempo drosseln, ohne Octaves ansichtig geworden zu sein. Ganz schwach und weiter entfernt denn je, wie das in Grabestiefen verklingende Tapsen eines Gespenstes, vernahmen wir noch seine entschwindenden Schritte. Schließlich erstarben sie – und wir hörten nichts mehr außer unseren eigenen keuchenden Atemzügen und dem Pulsieren des Blutes, das in unseren Schläfen pochte wie das unablässige Schlagen warnender Trommeln.
Dennoch hetzten wir weiter, bis wir wiederum an eine dreifache Gabelung der Gruftgewölbe gelangten. Hier teilten wir uns in ebenso viele Trupps auf. Harper, Halgren und ich selbst drangen in den mittleren Gang vor. Ihm folgten wir scheinbar endlos lang, filzten uns durch Nischen und Winkel, worin riesige Urnen, welche die eingeäscherten Reste Hunderter Generationen fassen mussten, sich bis zur Decke türmten. Doch von Octave entdeckten wir nicht die geringste Spur. Am Ende fanden wir uns in der Kammer mit den geometrischen Fußbodenmustern wieder. Hier stießen bald darauf die anderen zu uns, denen es ebenso wenig
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