Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
geplatzten Masse entquoll ein ekelerregender Schwall menschlichen Blutes, durchsetzt von dunklen, filzigen Knäueln, die halb zersetztes Haar darstellen mochten. Dazu gesellten sich zerfließende, gallertartige Klumpen, die an verflüssigte Knochen gemahnten, nebst Stücken einer käsigen weißen Substanz. Gleichzeitig begann Octave zu taumeln und stürzte unmittelbar darauf der Länge nach zu Boden. Bei seinem Aufschlag stob der Mumienstaub rings um ihn empor und breitete sich in einer wirbelnden Wolke über dem wie tot Daliegenden aus.
Meinen Ekel niederkämpfend und am Staub fast erstickend, beugte ich mich über den leblosen Körper und riss ihm die schlaffe, triefende Monstrosität vom Schädel. Das Ding gab ihn unerwartet leicht frei, so als hätte ich einen feuchten Lappen abgezogen. Doch wollte Gott, ich hätte es dort gelassen, wo es war! Denn was darunter vom Vorschein kam, war nicht länger mehr ein Menschenkopf. Alles bis hinab zu den Augenbrauen war restlos weggefressen.
Als ich das kapuzenartige Gebilde ablöste, blickte ich auf das bloß daliegende, halb vertilgte Gehirn. Meine Finger, die das unsägliche Objekt umklammert hielten, verloren plötzlich jegliche Kraft und ließen los. Im Fallen drehte sich das Gebilde und kehrte seine Unterseite nach oben. An ihr wurden zahlreiche Ringe aus rosafarbenen Saugnäpfen sichtbar, deren Mittelpunkt eine weißliche Scheibe bildete, die von einem Knotennetz aus Fasersträngen überzogen war und einem Nervengeflecht ähnelte.
Hinter mir hatten sich meine Gefährten näher herangedrängt. Doch für lange Zeit brachte niemand von uns ein Wort über die Lippen.
»Wie lange, glaubt ihr, ist er schon tot?« Halgren war’s, der im Flüsterton die schreckliche Frage formulierte, die bereits jeder einzelne von uns sich im Geheimen selbst gestellt hatte. Doch wie es schien, fühlte sich niemand in der Lage oder willens, sie zu beantworten – wir konnten nur mit grauenvoller, traumgleicher Faszination auf Octave starren.
Schließlich bot ich alle Kraft auf, um meinen krankhaft gebannten Blick loszureißen. Ich zwang ihn in eine andere Richtung und dabei gerieten ungewollt die Überreste der an die Mauer geschlagenen Mumie in mein Gesichtsfeld. Erst in diesem Moment gewahrte ich mit mechanischem, unwirklichem Grauen den halb aufgefressenen Zustand des vertrockneten Schädels … Von der Mumie wurde mein Blick seitwärts zu der kürzlich aufgestoßenen Pforte hingezogen, ohne dass ich im ersten Moment überhaupt begriff, was meine Aufmerksamkeit abgelenkt hatte.
Doch gleich darauf enthüllte mir der Strahl meiner Stablampe zu meinem Entsetzen in den Tiefen jenseits der Tür ein brodelndes, tausendfaches, madenartiges Gewimmel kriechender Schatten, so wie auf dem Boden eines finsteren Schachtes. Sie schienen in der Finsternis emporzusieden und zu kochen … Und dann flutete es über die breite Schwelle der Gruft … die wimmelnde Vorhut einer wahren Legion: tausendfache Gebilde gleich jenem ungeheuerlichen, diabolischen, blutsaugenden Egel, den ich von Octaves zerfressenem Kopf heruntergerissen hatte. Einige davon waren dünn und platt, glichen kreisförmigen Stoff- oder Lederflecken, die sich abwechselnd krümmten und streckten. Andere hingegen waren mehr oder weniger aufgequollen und robbten mit satter Trägheit voran. Wovon sie sich in der versiegelten, ewigen Mitternachtsschwärze gemästet hatten, weiß ich nicht – und ich bete darum, es niemals zu erfahren.
Panisch sprang ich zurück, durchbebt von Grauen und geschüttelt von Ekel … Aber der schwarze Heerwurm schob sich endlos weiter aus dem klaffenden Abgrund hervor, Zentimeter für Zentimeter mit albtraumhafter Unaufhaltsamkeit wie der abscheuerregende Auswurf von Grauen gesättigter Unterwelten. Während diese Flut uns entgegenschwappte und dabei Octaves Leichnam unter einer wimmelnden Woge begrub, bis nichts mehr von ihm zu sehen war, nahm ich ein zuckendes Lebenszeichen an dem scheinbar toten Ding wahr, das ich fortgeschleudert hatte, beobachtete seine widerwärtige Anstrengung, emporzukommen und sich seinesgleichen anzuschließen.
Doch weder ich noch meine Gefährten ertrugen es, dem Grauen weiter entgegenzustarren. Wir machten auf dem Absatz kehrt und entflohen zwischen den gigantischen Urnenreihen, dicht gefolgt von der schliddernden Masse dämonischer Blutegel. Als wir die erste Mehrfachgabelung der Katakomben erreichten, nahm jeder, ohne auf die Kameraden zu achten, eine andere Richtung und
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