Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
und der schwerelose Staub wölkte bei jedem Schritt vor uns auf. Er verbreitete das Flauheitsgefühl vergangener Zersetzung gleich dem Stäuben zermahlener Mumienkadaver.
Am gegenüberliegenden Ende des Gewölbes vor einem schmalen, hohen Durchgang schälten die Lichtkegel unserer Lampen eine gewaltige flache Urne oder Pfanne aus dem Dunkel. Sie ruhte auf niedrigen, quadratischen Sockeln und war aus einem matten, schwarz-grünen Material geformt, das an eine bizarre Legierung aus Metall und Porzellan erinnerte. Das Gefäß wies einen Durchmesser von etwa zehn Zentimetern und einen breiten Rand auf, verziert mit schnörkeligen, unentzifferbaren Zeichen, die wie mit Säure tief eingeätzt waren. Auf dem Boden des Beckens gewahrten wir eine Ablagerung aus schwärzlichen, schlackeartigen Krusten, die einen schwachen, aber unangenehm stechenden Geruch verströmte, gleich dem geisterhaften Resthauch eines weitaus stärkeren Gestanks. Als Octave sich über den Beckenrand beugte und die Ausdünstung in seine Atemwege drang, rang er sogleich hustend und niesend nach Luft.
»Dieses Zeug, worum auch immer es sich handeln mag, muss einst ein äußerst wirkungsvolles Ausräucherungsmittel gewesen sein«, befand er. »Es könnte den Bewohnern von Yoh-Vombis dazu gedient haben, die Gewölbe zu entseuchen.«
Die Türöffnung hinter dem flachen Becken gewährte uns Zugang zu einem größeren Gelass, dessen Boden verhältnismäßig frei von Staub war. So konnten wir erkennen, dass mannigfache geometrische Muster die dunkle Steinfläche, auf der wir schritten, unterteilten. Hervorgehoben wurden die Muster von vertieften Umrisslinien, die mit einem ockerfarbenen Erz ausgefüllt waren. Nach der Art altägyptischer Kartuschen rahmten diese Umgrenzungen hieroglyphenartige Zeichen und in höchstem Maße stilisierte Abbildungen ein.
Die meisten der Symbole und Darstellungen sagten uns wenig. Doch stellten die Gestalten, die wir in vielen der Felder entdeckten, zweifellos die Yorhi selbst dar. Wie die Aihai waren sie hochgewachsen und hager und verfügten über große Brustkästen ähnlich einem Blasebalg. Auf den Bildern besaßen sie einen zusätzlichen dritten Arm, der aus der Brust hervorwuchs und ein Merkmal darstellte, das als verkümmertes Rudiment auch bei manchen Aihai anzutreffen war. Die Ohren und Nasenöffnungen erschienen, soweit wir es beurteilen konnten, weniger groß und gebläht als jene der heutigen Marsbewohner. Sämtliche dieser Yorhi waren nackt dargestellt.
Nur in einer einzigen der Kartuschen, die weitaus flüchtiger ausgeführt war als der Rest, erkannten wir zwei Figuren, deren hohe, spitz zulaufende Schädel von etwas umwunden waren, das wie ein Turban aussah. Es wirkte, als stünden sie im Begriff, diesen abzulegen oder zurechtzurücken. Der Künstler schien eine merkwürdige Betonung auf die sonderbare Geste gelegt zu haben, mit der die beweglichen, fünfgliedrigen Finger an diesen Kopfbedeckungen zupften, und die ganze Körperhaltung der Figuren war auf rätselhafte Art und Weise verkrümmt.
Aus der zweiten Gruftkammer zweigten Gänge in sämtliche Richtungen ab und verloren sich in einen wahren Irrgarten aus Katakomben. Weihevoll anmutende Reihen gewaltiger, bauchiger Urnen aus dem gleichen Material wie das Räucherbecken säumten hier die Wände. Diese Gefäße waren höher als ein ausgewachsener Mann und besaßen Verschlüsse mit eckig geformten Henkeln. Die Urnenreihen beengten die Gänge derart, dass kaum zwei von uns nebeneinander zwischen ihnen entlanggehen konnten. Es gelang uns, einen der großen Verschlüsse zu entfernen. Das Gefäß war bis zum Rand mit Asche und verkohlten Knochenstücken gefüllt. Zweifellos hatten die Yorhi (wie es auf dem Mars noch heute Brauch ist) die kremierten Gebeine ganzer Familien miteinander vermischt in einzelnen Urnen aufbewahrt.
Sogar Octave verstummte, während wir unsere Erkundung fortsetzten. Eine nachdenkliche, ehrfürchtige Scheu schien seine anfängliche Aufregung verdrängt zu haben. Von uns Übrigen ergriff, wie ich zu erkennen glaubte, bis auf den letzten Mann die fast schon körperliche Düsternis eines allen irdischen Begriffen Hohn sprechenden Altertums Besitz, in die wir, so schien es, mit jedem weiteren Schritt tiefer und tiefer vorstießen.
Vor uns flatterten die Schatten auseinander wie die ungeheuren und ungestalten Schwingen gespenstischer Fledermäuse. Nichts gab es hier außer dem hauchfeinen Staub von Jahrtausenden, nichts außer den Urnen,
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