Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
die ihre Membranhäute zusammenfalteten und in eine Art Trab verfielen.
Nun wurde inmitten der Ebene Sarpoulom erkennbar. Immer deutlicher zeichnete sich die Stadt ab, je weiter die beiden verdeckten Monde hinter dem Umriss des dritten hervorlugten. Als zu diesem dreifachen Schein die rosigen Strahlen des Morgengrauens hinzukamen, erhob sich vor den beiden Reisenden die Stadt mit ihren fantastisch anmutenden, vielgeschossigen Bauwerken. Sie waren allesamt im gleichen, von Metall dominierten Stil errichtet wie Vizaphmals Palast. Diese Art der Architektur, so erfuhr Alvor, war im ganzen Land verbreitet; allerdings stieß man gelegentlich auch auf eine ältere Bauweise mit geschlossenen Wänden. Gefängnisgebäude und die von der Priesterschaft der diversen Gottheiten unterhaltenen Inquisitionsbehörden waren ausschließlich in diesem Stil errichtet.
Alvor bot sich ein schier unglaublicher Anblick – hohe, auf schlanken, lang gestreckten Säulen ruhende Kuppeln, Lage um Lage luftiger Kolonnaden, Brücken und hängende Gärten, höher als Babylon oder der Turm von Babel, allesamt in das sich stetig wandelnde Rot getaucht, das auf Satabbor mit der Morgendämmerung einherging, ähnlich wie es auch den Sonnenuntergang eingeleitet hatte. Mitten in diese Szenerie hinein, Straßen entlang, die mit dem gleichen Metall gepflastert waren, aus dem die Gebäude bestanden, wurden Alvor und Vizaphmal von den drei Orpoden gezogen.
Der Dichter war überwältigt von dem Gefühl, dass das Leben hier so anders war. Die Bauwerke ringsum wirkten so unsagbar alt und fremdartig. Überrascht stellte er fest, dass die Straßen nahezu ausgestorben waren und es kaum Anzeichen von Geschäftigkeit gab. Hier und da hasteten beim Herannahen der Orpoden ein paar Abbar in Seitenstraßen oder Hauseingänge. Zwei Wesen mit einer Vizaphmal ähnlichen Farbgebung, von denen Alvor eines für weiblich hielt, traten aus einem Säulengang und starrten die beiden Reisenden mit offenkundiger Bestürzung an.
Nachdem sie einer kurvenreichen Allee fast zwei Kilometer lang gefolgt waren, erblickte Alvor zwischen und über den Bauwerken vor sich die Kuppeln und Obergeschosse eines Gebäudes, dessen Ausmaße die der anderen weit übertrafen.
»Vor sich sehen Sie nun den Palast der Könige von Ulphalor«, erläuterte ihm sein Gefährte.
Kurz darauf gelangten sie auf einen großen Platz, der den Palast einrahmte. Hier drängten sich die Bewohner der Stadt, die sich, wie Vizaphmal vorhergesehen hatte, alle versammelt hatten, um auf die Erfüllung oder auch Nichterfüllung von Abbolechiolors Weissagung zu warten. Auch auf den offenen Galerien und Arkaden der riesigen Bauwerke, die sich zehn Stockwerke hoch in den Himmel erhoben, wimmelte es von Gestalten, die zuschauen wollten. Die Menge setzte sich hauptsächlich aus Abbar zusammen, aber auch unzählige farbenfroh gemusterte Alphads waren darunter.
Als sie Alvor und dessen Begleiter erblickten, ging ein Beben – um nicht zu sagen: ein Aufzucken – durch die auf dem Platz und den darüberliegenden Balkons Versammelten. Hohe, sonderbar schrille, gellende Schreie erklangen, aus dem Innern des Palastes erscholl das durchdringende Geräusch von Metall auf Metall, so als werde eine Alarmglocke geschlagen. In den oberen Stockwerken glommen rätselhafte Lichter auf und erloschen wieder. Das Scheppern unsichtbarer Maschinen, das Dröhnen, Ächzen und Kreischen Alvor unbekannter Gerätschaften erhob sich über den Lärm der immer aufgeregter und unruhiger werdenden Menge, die sich nun in Bewegung setzte. Eine Gasse tat sich für den von den drei Orpoden gezogenen Wagen auf und schon bald erreichten Vizaphmal und Alvor den Eingang zum Palast.
Das Ganze kam Alvor reichlich unwirklich vor, und wie in einem schrecklichen, grotesken Albtraum empfand er äußerstes Unbehagen, als sich mit merkwürdig leuchtendem Blick zehntausend Augen auf ihn richteten und mit furchterregender, unheimlicher Neugier jede Einzelheit seiner Erscheinung musterten. Während sich der Wagen seinen Weg durch den nichtmenschlichen Korridor bahnte, der sich vor ihm aufgetan hatte, kam die Menge zur Ruhe und eine Zeit lang herrschte Stille. Dann wurden erneut Gemurmel und Wortgefechte laut. Schreie, die wie militärische Befehle wirkten, erklangen und wurden weitergegeben. Die Versammlung setzte sich wieder in Bewegung und strömte wie eine dunkle Welle vorwärts. Die vordersten Reihen der Abbar und Alphads ergossen sich in die Bogengänge des Palastes.
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