Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
weiße Ungeheuer bei ihm verweilt.‹«
Vizaphmal hielt inne, so als wolle er Alvor Gelegenheit geben, über die Umstände, die er ihm enthüllte, nachzudenken. In seinen Blick trat ein verschlagener Ausdruck. Scharf und fragend sah er sein Gegenüber an.
»Seit diese Weissagung verkündet wurde, hat es bereits einmal eine derartige totale Mondfinsternis gegeben. Folgt man den meiner Meinung nach einwandfreien Berechnungen unserer Astronomen, steht uns eine weitere Mondfinsternis bevor – und zwar heute Nacht. Dann wird sich der innerste der drei Monde wieder vor die beiden äußeren schieben. Falls Abbolechiolors Weissagung wirklich zutrifft, wird sie morgen früh in Erfüllung gehen.
Allerdings kam ich schon vor geraumer Zeit zu dem Schluss, dass man dies nicht dem Zufall überlassen sollte. Die Maschine, mit deren Hilfe ich Ihre Welt aufsuchte, entwarf ich unter anderem auch in der Absicht, ein Ungeheuer zu finden, das Abbolechiolors Beschreibung entspricht. In ganz Satabbor hat es nie eine derartige Kreatur gegeben, noch nicht einmal in unseren Sagen. Also begab ich mich auf die Suche. Ich durchkämmte die fernsten und entlegensten Planeten, ohne zu finden, was ich benötigte. Auf einigen dieser Welten gab es durchaus ungewöhnliche Monstren mit nahezu zahllosen Gliedmaßen und Sehorganen. Aber die Spezies, zu der Sie gehören, mit lediglich zwei Augen, zwei Armen und zwei Beinen scheint in den Galaxien unseres Universums in der Tat selten zu sein, denn auf keinem anderen Planeten als dem Ihren bin ich darauf gestoßen.
Ich bin mir sicher, mittlerweile ahnen Sie, was ich seit Langem im Sinn habe. Bei Tagesanbruch werde ich mit Ihnen in Sarpoulom erscheinen, der Hauptstadt von Ulphalor, deren Türme und Kuppeln Sie heute Nachmittag weit entfernt in der Ebene sahen. Aufgrund der berühmten Weissagung und der weithin bekannten Berechnungen über eine unmittelbar bevorstehende, gleich doppelte Mondfinsternis wird sich zweifellos eine große Menge vor dem Königspalast versammeln, um abzuwarten, was geschieht.
Akkiel, der gegenwärtige König, ist keineswegs beliebt, und wenn Sie dort in meiner Begleitung auftauchen, mit jemandem, der weit und breit als Zauberer verschrien ist, wird man dies als Signal für seine Entmachtung sehen. Dann werde ich an seiner Stelle herrschen, genau wie Abbolechiolor es mit so viel Bedacht vorhersagte. Die höchste weltliche Macht in Händen zu halten, ist in Ulphalor, selbst für jemanden, der gelehrt und weise ist und so wie ich über den meisten Eitelkeiten des Lebens steht, durchaus erstrebenswert. Ist diese Würde erst einmal auf meine unwerten Schultern übergegangen, werde ich in der Lage sein, Ihnen als Anerkennung für Ihre an ein Wunder grenzende Hilfe ein Leben in erlesenstem Luxus zu bieten – voll der vielfältigsten Genüsse, die Sie sich kaum vorzustellen vermögen. Zugegeben, unter uns werden Sie ohne Zweifel zu einer gewissen Einsamkeit verurteilt sein: Man wird Sie stets als Ungeheuer betrachten, als verhängnisvolle Abnormität. Aber in der Welt, in der ich Sie fand, als Sie gerade im Begriff standen, sich in einen äußerst unerfreulichen Fluss zu stürzen, war das, glaube ich, ja wohl ohnehin Ihr Schicksal. Dichter werden dort, wie Sie am eigenen Leib erfahren haben, für nicht minder ungewöhnlich gehalten wie eine zweiköpfige Schlange oder ein Kalb mit fünf Beinen.«
Alvor lauschte mit zunehmender Verblüffung. Als Vizaphmal allmählich zum Ende kam und kein Zweifel mehr an seiner Absicht bestand, empfand Alvor bei dem Gedanken an die Rolle, die er einnehmen sollte, einen bitteren Stich. Letztlich blieb ihm jedoch nichts anderes übrig als einzusehen, dass er Vizaphmals Argumentation nichts entgegenzusetzen hatte.
»Ich hoffe«, sagte Vizaphmal, »ich habe mit meiner Offenheit oder auch mit der Lage, in die ich Sie nun bringen werde, nicht Ihre Gefühle verletzt.«
»Oh, nein, keineswegs«, beeilte sich Alvor zu versichern.
»In diesem Fall werden wir bald zu unserer Fahrt nach Sarpoulom aufbrechen. Sie wird die ganze Nacht in Anspruch nehmen. Natürlich könnten wir die Reise auch in Sekundenschnelle mit meiner Raum-Aufhebungsmaschine unternehmen oder innerhalb weniger Minuten mit einer der Flugmaschinen, die bei uns schon lange in Gebrauch sind. Aber zu diesem Anlass möchte ich mich eines eher altmodischen Fortbewegungsmittels bedienen, damit wir auf die rechte Art zur rechten Zeit eintreffen – aber auch damit Sie die Landschaft genießen können
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