Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
tödlichen Blick des Basilisken durch den Spiegel erwidert oder wie ein Gelehrter, der angetan mit Schutzmaske und Handschuhen mit ätzenden Giften in seinem Laboratorium hantiert.
Sie enthielten für mich zu keiner Zeit den allergeringsten Hauch des Bedrohlichen, denn ich betrachtete sie mit völlig objektiver Sachlichkeit. Ich habe vielerlei Hinweise auf das Gespenstische, das Scheußliche, das Bizarre untersucht, vielerlei Irrgärten des Schreckens durchlaufen, vor denen andere voller Argwohn oder Beklommenheit zurückgeschreckt wären … Doch nun wünsche ich mir, es gäbe eine Verlockung, der ich nicht gefolgt wäre, ein Labyrinth, das meine Neugier unerforscht gelassen hätte …
Am Unglaublichsten ist vielleicht die Tatsache, dass sich die Angelegenheit im heutigen London des 20. Jahrhunderts zugetragen hat. Der bloße Anachronismus und die Märchenhaftigkeit des Geschehens haben mich an den Wahrheiten von Raum und Zeit zweifeln lassen; seither gleiche ich jemandem, der steuerlos auf sternenlosen Meeren der Verwirrung dahintreibt oder noch nie vermessene Dimensionen durchstreift.
Ich habe mich seither nie wieder ganz zurechtfinden können; nie war ich mir völlig sicher, dass ich mich nicht in andere Jahrhunderte verirrt habe, in andere Länder als jene, die vom Zeitlauf und der Geografie der Gegenwart bestimmt werden. Ich habe seither das ständige Bedürfnis, mich durch heutige Menschenmengen, grelle Lichter, Gelächter, Lärm und Unruhe des Hier und Jetzt rückzuversichern. Ständig befürchte ich, dass diese Dinge nur eine fadenscheinige Barriere sind, hinter der das Reich uralten Grauens und nicht auszudenkender Bosheit lauert, in das ich einen abscheulichen Blick geworfen habe. Und immer wieder beschleicht mich das Gefühl, dass sich das Gespinst jeden Augenblick auflösen könnte und mich dem ultimativen Schrecken preisgibt.
Warum ich überhaupt nach London gekommen war, tut nicht unbedingt etwas zur Sache. Ich will es dabei belassen, dass ich einen schweren Verlust erlitten hatte, denn die einzige Frau, die ich je liebte, war gestorben. Wie auch andere es in einem solchen Fall tun, begab ich mich auf Reisen – um zu vergessen, um mich durch das Neue in fremden Landschaften ablenken zu lassen. In London hielt ich mich deshalb länger auf, weil die graue, nebelverhüllte Weite der Metropole, ihre immer wieder unterschiedlichen Menschen, ihr schier unerschöpfliches Gewirr an Gassen und Straßen und Häusern in gewisser Hinsicht dem Vergessen selbst glichen. Das bot mir eine weitaus bessere Zuflucht vor meinem Kummer, als freundlichere Städte es zuvor vermocht hatten.
Ich weiß nicht mehr, wie viele Wochen oder Monate ich mich schon in London aufhielt. Zeit bedeutete mir wenig mehr als etwas, das durchgestanden werden musste, und diese Spanne zählte ich nicht. Ich kann mich nur schwer daran erinnern, was ich tat oder wohin ich ging; alles verschwamm in einer kaum beachtenswerten Eintönigkeit.
Jedoch steht mir die Begegnung mit dem alten Mann ebenso klar vor Augen wie jeder beliebige gegenwärtige Eindruck – vielleicht sogar noch klarer.
Unter den schwachen Erinnerungen an jene Zeit ist diese wie mit schwarzer Säure in mein Gedächtnis eingebrannt. An den Namen der Straße, in der ich ihn sah, kann ich mich nicht mehr erinnern; aber sie lag nicht weit von The Strand. Dort drängte sich die Menschenmenge des Nachmittags unter einem hohen dichten Nebel, den die Sonne schon tage- oder wochenlang nicht hatte durchdringen können.
Inmitten dahinhastender Gesichter und Gestalten, die mir nicht mehr bedeuteten als der monotone Himmel oder die austauschbaren Geschäfte, schlenderte ich ziellos umher. Meine Gedanken waren müßig, leer, unbedeutend. Seit ich mich einem nur allzu wirklichen Schrecken hatte stellen müssen, gab ich meine Suche nach den dunkleren Geheimnissen des Daseins zunächst auf. Nichts warnte mich; ich rechnete mit nichts Absonderlicherem als der alltäglichen Tristesse der Straßen und Menschen von London. Und dann stand mit der erschreckenden Plötzlichkeit einer Erscheinung auf einmal dieser Mann zwischen mir und dem anonymen menschlichen Gebrodel. Ich hätte ums Leben nicht sagen können, aus welcher Richtung er gekommen war.
Von Körperbau und Gestalt war er nicht außergewöhnlich, wenn man einmal von der aufrechten Haltung absah, die er trotz seines weit fortgeschrittenen und offensichtlichen Alters an den Tag legte. Seine Kleidung war ebenfalls nicht ungewöhnlich.
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