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Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2

Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2

Titel: Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Ashton Smith
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war eines der heruntergekommenen Anwesen und den Zeitpunkt seiner Erbauung hätte ich trotz meiner umfassenden architektonischen Kenntnisse nicht nennen können. Es stand ein wenig abgesetzt von den umliegenden Mietshäusern und an seinen dunklen Mauern und lichtlosen Fenstern schien eine tiefere Dunkelheit zu haften als die Düsternis der vorzeitigen Dämmerung. Es vermittelte mir einen Eindruck von gewaltiger Ausdehnung; dennoch bin ich mir über seine genauen Ausmaße nie ganz klar geworden. Ich erinnere mich auch nicht an die Einzelheiten seiner Fassade, bis auf jene hohe schwere Tür oberhalb eines Treppenaufgangs, dessen Stufen wie vom Tritt unzähliger Menschenalter ausgehöhlt wirkten.
    Unter dem Druck der knorrigen Finger des alten Mannes schwang die Tür lautlos auf. Er winkte mir, dass ich als Erster eintreten sollte. Ich betrat eine lange Diele, die von silbernen uralten Lampen ausgeleuchtet wurde, wie ich sie in tatsächlichem Gebrauch noch nie gesehen hatte. Ich glaube, da waren auch alte Gobelins und Vasen, zudem Mosaikfliesen – doch sind die Lampen das Einzige, an das ich mich genau erinnere. Ihre weißen Flammen waren unnatürlich bewegungslos und verbreiteten ein kaltes Licht. Mir kam der Gedanke, dass sie schon immer auf diese Weise gebrannt hatten, ohne zu flackern, ohne dass das Öl aufgefüllt wurde, wie in einer erstarrten Ewigkeit, deren Tage sich von den Nächten durch nichts unterschieden.
    Am Ende des Dielenflurs betraten wir einen weiteren Raum, der auf ähnliche Weise beleuchtet war und dessen Mobiliar einen regelrecht altertümlichen Eindruck hinterließ. Am rückwärtigen Ende stand eine weitere Tür offen, die zu einer zweiten Kammer führte. Diese war offenbar mit zahlreichen Statuen vollgestellt; denn ich erkannte die Formen starrer Gestalten, deren Silhouetten von Lampen außerhalb meines Blickfeldes teilweise erleuchtet wurden.
    »Nehmen Sie Platz«, sagte mein Gastgeber und deutete auf ein prächtiges Lager. »In ein paar Minuten zeige ich Ihnen den Kopf; doch übereilte Hast ziemt sich nicht, wenn man der Medusa selbst gegenübertritt.«
    Ich tat wie mir geheißen, mein Gastgeber blieb hingegen stehen. Im fahlen Lampenlicht sah er bleicher und älter und aufrechter aus als je zuvor. Ich erspürte eine sehnige unnatürliche Kraft, eine teuflische Vitalität, die auf grauenhafte Weise nicht zu seinem weit fortgeschrittenen Alter passen wollte. Ich erschauerte und das lag nicht nur an der Kälte der Abendluft und dem modrigfeuchten Gebäude. Natürlich hatte ich noch immer das Gefühl, dass die Einladung des alten Mannes irgendeine lachhafte Scharlatanerie, ein Mummenschanz war. Doch waren die Umstände, mit denen ich mich nun konfrontiert sah, ebenso unerklärlich wie geheimnisvoll. Dennoch fasste ich genug Mut, um einige Fragen zu stellen.
    »Natürlich«, so sagte ich, »überrascht mich die Kunde, dass das Gorgonenhaupt bis in die Neuzeit überdauert hat. Falls die Frage nicht zu aufdringlich ist, wollen Sie mir nicht verraten, wie es in ihren Besitz gelangt ist?«
    »Hehe!«, lachte der alte Mann mit scheußlich starrem Grinsen. »Die Frage ist leicht beantwortet: Ich habe Perseus den Kopf beim Würfelspiel abgenommen, als er schon alt und tattrig war.«
    »Aber wie ist das möglich?«, entgegnete ich. »Perseus lebte doch vor mehreren Tausend Jahren.«
    »Nach Ihrer Rechnung stimmt das auch. Aber die Zeit ist nicht ganz so einfach gestrickt, wie Sie denken. Zwischen den einzelnen Epochen gibt es Schleichwege, Umleitungen und Überlappungen, die Sie sich nicht träumen lassen würden … Ich sehe auch, es verwundert Sie, dass sich der Kopf in London befindet … Aber London ist auch nur ein Name und Verschiebungen, Abkürzungen und Wechselspiele gibt es nicht nur in der Zeit, sondern auch im Raum.«
    Seine Darlegung erstaunte mich, doch musste ich mir eingestehen, dass ihr eine gewisse Logik anhaftete. »Ich verstehe, was Sie meinen«, gab ich nach. »Und nun werden Sie mir natürlich den Kopf der Gorgone zeigen?«
    »Sogleich. Doch muss ich Sie erneut warnen, sich außerordentlich in Acht zu nehmen. Zudem müssen Sie sich auf seine übermäßige, überwältigende Schönheit ebenso gefasst machen wie auf das ihm innewohnende Grauen. Wie Sie sich wohl denken können, liegt die Gefahr in der zuerst genannten Eigenschaft.«
    Er verließ den Raum, kehrte jedoch gleich darauf wieder zurück und brachte einen metallenen Spiegel mit, welcher der gleichen Epoche zu entstammen schien

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