Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
eindringlichen Einzigartigkeit seines Verhaltens, als er sie aussprach, sonderlich viel Bedeutung beizumessen. Einige Tage später noch blieb mir jenes Wissen erspart, welches ich heute hüte.
Sodann sprach Tomeron eines Abends folgendermaßen: »Jetzt bin ich gezwungen, Euch um einen eigenartigen Gefallen zu bitten, welchen Ihr mir hoffentlich gewähren werdet in Anbetracht unserer langen Freundschaft. Dieser Gefallen ist, dass Ihr mich genau in dieser Nacht in jene Grabgewölbe meiner Familie geleiten werdet, welche in den Katakomben von Ptolemides gelegen sind.«
Obschon ich über diese Bitte beträchtlich überrascht und keinesfalls sehr erfreut war, vermochte ich sie ihm dennoch nicht abzuschlagen. Ich konnte mir den Zweck eines solchen Besuchs, wie er ihn vorschlug, nicht vorstellen, doch wie es meine Gewohnheit war, hielt ich mich zurück, Tomeron auszufragen, und beschied ihm lediglich, ich würde ihn in die Gewölbe begleiten, wenn solches sein Begehr sei.
»Ich danke Euch, Theolus, für diesen Freundschaftsbeweis«, erwiderte er voller Ernst. »Glaubt mir, ich bitte ungern darum, doch gab es eine gewisse Täuschung, ein seltsames Missverständnis, welches nicht mehr andauern darf. Heute Nacht werdet Ihr die Wahrheit erfahren.«
Mit Fackeln bewaffnet, verließen wir Tomerons Haus und suchten die uralten Katakomben von Ptolemides auf, welche jenseits der Stadtmauern liegen und schon lange nicht mehr genutzt werden, denn es gibt jetzt eine ansehnliche Totenstadt genau im Herzen der Metropole. Der Mond war hinter der Wüste niedergegangen, die nach den Katakomben greift, und so waren wir gezwungen, unsere Fackeln zu entzünden, lange bevor wir zu den unterirdischen Stollen gelangten: Die Strahlen des Mars und des Jupiters an einem aufgedunsenen finsteren Himmel reichten nicht aus, jenen gefährlichen Pfad hell auszuleuchten, welchem wir zwischen Hügeln und umgestürzten Obelisken und aufgebrochenen Gräbern folgten. Schließlich gewahrten wir den düsteren und von Unkraut überwucherten Eingang der Gebeinhäuser. Hier ging Tomeron mit einer Schnelligkeit und Sicherheit des Schritts voran, die von langer Vertrautheit mit diesem Ort zeugten.
Als wir eintraten, befanden wir uns in einem bröckelig scheinenden Gang, in dem die Knochen zerfallener Skelette verstreut zwischen von Wänden und Decke herabgestürztem Geröll herumlagen. Ein würgender Gestank zäh stehender Luft und uralter Fäulnis ließ mich einen Augenblick lang innehalten, Tomeron jedoch schien dies kaum wahrzunehmen, schritt er doch weiter, die Fackel hochhaltend; und sodann winkte er mir, ihm nachzufolgen.
Zahlreiche Gewölbe durchmaßen wir, in denen schimmliges Gebein und grünspanzerfressene Sarkophage an den Wänden gestapelt oder dort verstreut lagen, wo schändende Diebe sie in vergangenen Jahren zurückgelassen hatten. Die Luft ward zunehmend dumpfig, kalt und krankheitserregend und verpestete Schemen hockten und schwankten vor unseren Fackeln in jeder Nische und Ecke. Auch wurden die Wände noch brüchiger, während wir weitergingen, und die Knochen, welche wir auf einer jeden Seite erspähten, waren grüner noch vom Schimmel der Zeit.
Schließlich umrundeten wir eine unvermittelt auftauchende Ecke des niedrigen Stollens, welchem wir folgten. Hier gelangten wir zu Grüften, welche offenbar einer edleren Familie gehörten, denn sie boten sich recht geräumig den Blicken dar, und in einer jeden Gruft gab es nur einen einzigen Sarkophag.
»Hier liegen meine Vorfahren und meine Familie«, verkündete Tomeron.
Wir erreichten das Ende der Höhle und sahen uns mit einer schlichten Mauer konfrontiert. Auf der einen Seite schloss sich die letzte Gruft an, in welcher ein leerer Sarkophag geöffnet stand. Er war aus feinster Bronze gearbeitet und reich verziert.
Tomeron verhielt mit dem Schritt vor dieser Gruft und wandte sich dann zu mir um. Im flackernden Schein glaubte ich einen Ausdruck seltsamer und unerklärlicher Qual aus seinem Gesicht abzulesen.
»Ich muss Euch bitten, Euch für einen Augenblick zurückzuziehen«, sagte er mit leiser und kummervoller Stimme. »Hernach könnt Ihr zurückkehren.«
Überrascht und verwundert leistete ich seiner Bitte Folge und schritt langsam den Weg ein Stück zurück. Sodann kehrte ich zu jener Stelle wieder, wo ich ihn verlassen hatte. Meine Überraschung wurde größer, als ich feststellte, dass er seine Fackel gelöscht und auf die Schwelle der letzten Gruft hatte fallen lassen.
Und Tomeron
Weitere Kostenlose Bücher