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Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2

Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2

Titel: Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Ashton Smith
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Gedächtnis ist nicht mehr das, was es früher einmal war, und es gibt gewisse Lücken, die zu verzeihen ich von meinen Lesern erbitte. Das einzige Wunder ist, dass meine Erinnerungskräfte überhaupt Bestand hatten unter der schrecklichen Bürde, welche ihnen aufgelastet wurde. Denn in einem mehr als metaphorischen Sinne bin ich gleich jemandem gewesen, der verdammt ist, zu allen Zeiten und an allen Orten die abscheulichen Nachtmahre von längst toten und modrig-verfallenen Dingen zu ertragen.
    Jedoch vermag ich mich leicht jener Studien zu erinnern, welchen Tomeron sich widmete: Die vergessenen dämonischen Folianten von Hyperborea und Mu und Atlantis, mit denen seine Regale bis zur Decke hinan angehäuft waren, und die seltsamen Karten von Ländern, welche nicht auf der Oberfläche unseres Erdreichs gelegen, über denen er bei ständigem Kerzenschein brütete.
    Nicht von diesen Studien werde ich sprechen, denn zu makaber und fantastisch würde dies klingen, um Glauben zu finden, und jenes, was ich zu berichten habe, ist an sich schon unglaublich genug. Jedoch werde ich von gewissen befremdlichen Gedanken sprechen, mit welchen Tomeron übervoll beschäftigt war und hinsichtlich derer er mir so oft Vorträge hielt in dieser ihm eigenen dunklen, gutturalen und monotonen Stimme, welche in ihren Tönen und Kadenzen den Widerhall nicht vermessener Höhlen in sich trug.
    Er stellte die Behauptung auf, Leben und Tod seien nicht jene fest gefügten Zustände, für welche die Leute sie gemeinhin hielten; beide Bereiche seien auf oft nicht leicht zu unterscheidende Art miteinander verflochten und schattenhafte Grenzgebiete seien nur normal. Zudem seien die Toten nicht immerfort die Toten gewesen und auch die Lebenden nicht die Lebenden in der Art und Weise, wie solcherlei Begriffe üblicherweise verstanden würden.
    Doch die Art und Weise, wie er von derlei Gedanken sprach, war äußerst nebulös und allgemein, und ich vermochte ihn niemals zu bewegen, seine Absicht zu spezifizieren. Auch gelang es ihm nicht, eine konkrete Erläuterung zu bieten, welche sie einer Mentalität wie der meinen, die es nicht gewohnt war, mit den Spinnweben der Abstraktion umzugehen, verständlicher hätte machen können. Hinter seinen Worten schwebte – oder schwebte anscheinend – eine Legion dunkler amorpher Schemenbilder, die ich selbst bis zum schlussendlichen Ausgang unseres Abstiegs in die Katakomben von Ptolemides nie in irgendeiner Art und Weise formulieren oder schildern konnte.
    Bereits erwähnt habe ich, dass mein Gefühl für Tomeron nie als Freundschaft hätte klassifiziert werden können. Doch sogar von Anfang an vermochte ich nur allzu gut zu spüren, dass Tomeron eine eigenartige Vorliebe für mich besaß – eine Vorliebe, deren Natur mir nicht begreiflich war und die ich schwerlich erwidern konnte. Obschon er mich jederzeit faszinierte, gab es Gelegenheiten zuhauf, bei denen mein Interesse nicht unvermengt war mit einem echten Gefühl des Ekels. Manches Mal war seine Blässe zu leichenhaft, zu sehr gemahnend an Pilze, welche im Dunkeln wucherten, oder an lepröse Knochen im Mondenschein. Das Gebeugtsein seiner Schultern übermittelte meinem Hirn die Botschaft, dass sie eine Bürde von Jahrhunderten trugen, welche kein Mensch durchlebt haben konnte. Immerfort weckte er eine gewisse heilige Scheu in mir, die oft von einer unbestimmbaren Furcht durchmischt war.
    Mir ist nicht erinnerlich, wie lange unsere Bekanntschaft bestand, doch ich entsinne mich, dass Tomeron gegen Ende mit sich häufender Begeisterung von jenen bizarren Ideen sprach, welche ich andeutete. Immerzu hatte ich das Empfinden, dass er aus irgendeinem Grund beunruhigt war, denn oft betrachtete er mich mit einem traurigen Glanz in den Augen; und manchmal pflegte er mit seltsamer Betonung von jener großen Achtung zu sprechen, welche er für mich empfand.
    Und eines Nachts sprach er zu mir: »Theolus, die Zeit kommt, da Ihr die Wahrheit erfahren müsst – mich erkennen müsst, wie ich bin, und nicht, wie ich habe scheinen dürfen. Es gibt ein Ende aller Dinge, und alle Dinge gehorchen unerbittlichen Gesetzen. Gern hätt’ ich’s, dass es anders wär, doch weder ich noch irgendein Mensch unter den Lebenden oder Toten vermag willentlich die Dauer eines Daseinszustandes zu verlängern oder jene Gesetze zu verändern, welche solcherlei Umstände bestimmen.«
    Vielleicht war es gut, dass ich ihn nicht verstand und dass ich nicht imstande war, seinen Worten oder der

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