Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2

Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2

Titel: Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Ashton Smith
Vom Netzwerk:
aufrichteten – ganz wie die uralten Mythen es beschrieben hatten.
    Wie kann ich umschreiben, kann ich auch nur andeuten, was jenseits der normalen menschlichen Empfindung oder Vorstellungskraft liegt? Im Spiegel erblickte ich ein Gesicht von unaussprechlich strahlender Blässe – ein Totenantlitz, dem die blendend-leuchtende Pracht himmlischer Verderbtheit, übermenschlicher Bosheit und unendlicher Pein entströmte. Die lidlosen unerträglichen Augen, die Lippen, die sich zu einem peinigenden Lächeln verzogen hatten – das Antlitz war schön, es war schrecklich, es stand jenseits aller Gesichter, die Mystiker oder Künstler je vermeldet haben. Das Licht, das aus seinen Zügen quoll, war das Licht von Welten, die für die menschliche Wahrnehmung zu hoch oder zu tief liegen. Ihm wohnte jenes Grauen inne, welches das Mark in Eis verwandelt, und jener Gram, welcher wie ein Blitz tötet.
    Lange starrte ich in den Spiegel mit jener erschauernden Ehrfurcht des Suchenden, der den unverschleierten Anblick des letzten Mysteriums erblickt. Bis in mein Inneres war ich erschrocken, abgestoßen – und fasziniert; denn was ich hier sah, war der ultimative Tod, die ultimative Schönheit. Mich drängte es danach, doch wagte ich es nicht, mich umzudrehen und meinen Blick zu jener Wirklichkeit emporzuheben, deren bloßes Spiegelbild bereits tödliche Pracht ausstrahlte.
    Der alte Mann war näher herangetreten; abwechselnd starrte er in den Spiegel und dann mit unauffälligen Blicken auf mich.
    »Ist sie nicht wunderschön?«, raunte er. »Könnten Sie sie nicht bis in alle Ewigkeit ansehen? Und sehnen Sie sich nicht danach, sie ohne die Vermittlung des Spiegels anzusehen, welche ihr kaum gerecht wird?«
    Ich erbebte bei seinen Worten und der unbestimmbaren Andeutung, die in ihnen mitschwang.
    »Nein! Nein!«, schrie ich heftig auf. »Alles, was Sie sagen, ist wahr: Ich gestehe es ein. Aber ich werde nicht länger hinsehen und ich bin nicht so verrückt, mich in ein steinernes Abbild verwandeln zu lassen.«
    Mit diesen Worten drückte ich ihm den Spiegel in die Hand und wandte mich zum Gehen. Ein überwältigendes Gefühl von Furcht, das über mich hinwegwogte, trieb mich an. Ich fürchtete die Verlockung der Medusa und verabscheute den bösen Alten mit einem Widerwillen, für den es weder Grenzen noch Worte gibt.
    Klappernd fiel der Spiegel zu Boden, als der alte Mann ihn fallen ließ und mich mit tigerhafter Gewandtheit ansprang. Mit seinen knotigen Händen packte er mich, und obgleich ich ihre sehnige Kraft gespürt hatte, war ich doch nicht auf die dämonische Stärke vorbereitet, mit der er mich herumwirbelte und in Richtung des Altars stieß.
    »Sieh hin! Sieh sie an!« Er kreischte und es klang wahrlich wie die Stimme eines Teufels, der die verlorenen Seelen dazu drängt, ein noch tieferes Loch der ewigen Verdammnis anzustarren.
    Instinktiv hatte ich meine Augen geschlossen, doch spürte ich die sengende Strahlung selbst durch meine Lider hindurch. Ich wusste, ja, ich glaubte in meinem Inneren an das Geschick, das mir bevorstand, sollte ich Medusa ins Angesicht blicken. Wie ein Wahnwitziger kämpfte ich gegen den Griff, der mich umklammert hielt, doch schien es mir nichts zu nützen. Also verwandte ich meinen ganzen Willen darauf, meine Augen nicht einmal um die Breite einer Wimper anzuheben.
    Plötzlich waren meine Arme wieder frei. Ich spürte die teuflischen Finger über meine Stirn tasten und hastig nach meinen Augen suchen. Ich wusste, was sie bezweckten, und wusste auch, dass der Alte selbst die Augen geschlossen hielt, um dem Verhängnis zu entgehen, das er mir zugedacht hatte. Ich riss mich los, ich wandte mich um, ich rang mit ihm. Wir lieferten uns einen wahnwitzigen wirbelnden Kampf, als er danach trachtete, mich mit einem Arm herumzureißen und mit der anderen Hand an meinen zugepressten Augenlidern zu zerren. So jung und kräftig ich auch war, so war ich ihm doch nicht gewachsen. Ganz allmählich wurde ich herumgedrückt, mein Kopf war im vergeblichen Bemühen, den suchenden Fingern zu entgehen, bis zur Bruchgrenze der Wirbel in den Nacken gebeugt.
    Nur wenig länger und er hätte mich bezwungen; doch der Platz, auf dem wir rangen, war beengt, und mittlerweile hatte er mich bis an die Reihe der steinernen Gestalten zurückgedrängt, von denen einige in liegender Haltung am Boden erstarrt waren. Über eine solche muss er gestolpert sein, denn plötzlich fiel er mit einem wilden Schrei der Verzweiflung und im

Weitere Kostenlose Bücher