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Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2

Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2

Titel: Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Ashton Smith
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selbst war nirgendwo zu sehen.
    Indem ich in die Gruft eintrat, da es anscheinend keinen anderen Ort gab, wo er sich versteckt haben konnte, sah ich mich um nach ihm, aber der Raum war leer. Zumindest hielt ich ihn für leer, bis ich abermals den reich verzierten Sarkophag ansah und mir gewahr wurde, dass er jetzt nicht mehr ohne Inhalt war – ein Leichnam lag darin, eingehüllt in ein Wickeltuch von jener Art, wie sie seit Jahrhunderten schon nicht mehr verwendet werden in Ptolemides.
    Ich schritt näher an den Sarkophag heran, und als ich in des Leichnams Antlitz blickte, da sah ich, dass es eine furchtbare und seltsame Ähnlichkeit mit dem Antlitz Tomerons besaß, wenngleich es aufgebläht und aufgedunsen war vom Leichengift des Todes und purpurn verfärbt von den Schatten des Zerfalls. Als ich abermals hinunterschaute, dämmerte in mir die Erkenntnis, dass es wahrhaftig Tomeron und kein anderer war.
    Ich hätte laut geschrien vor Entsetzen, das mich überkam, doch meine Lippen waren betäubt und erstarrt, und ich vermochte nur Tomerons Namen zu flüstern. Kaum, dass ich dies getan, da schienen sich des Leichnams Lippen halb zu öffnen und die Spitze seiner Zunge ragte in ihrer Mitte leicht hervor. Ich meinte, diese Spitze zittern zu sehen, als habe Tomeron vor zu sprechen und mir Antwort zu geben. Doch als ich genauer hinstarrte, gewahrte ich, dass das Zittern lediglich der Bewegung von Würmern zu verdanken war, die sich auf und ab und hin und her ringelten und danach trachteten, sich gegenseitig von Tomerons Zunge zu drängen.

Eine nekromantische Geschichte
    In mancherlei Hinsicht ist es eine bloße Redensart, wenn man von der Magie der Worte spricht. Die Wirkungskraft, die kunstreich erdachten Zauberformeln, magischen Verwünschungen und Beschwörungen in alten Zeiten innewohnte, ist längst zur literarischen Metapher verkommen – doch die schreckliche Realität, die derartigen Vorstellungen einst zugrunde lag und immer noch zugrunde liegt, geriet in Vergessenheit. Mehr als nur eine Metapher bedeutet die Zauberkraft der Sprache zumindest für Sir Roderick Hagdon: Die Brandnarben an seinen Fußgelenken sind ein Phänomen, dessen Ursache niemand ernstlich auf ein sprachliches Bild zurückführen würde.
    Sir Roderick Hagdon gelangte zu seinem Titel und zu seinem Besitz, ohne je mit einer solchen Erbschaft gerechnet zu haben und ohne unmittelbare Kenntnis von der Lebensweise und dem Umfeld zu besitzen, die sein Erbe ihm eintrug. Er war in Australien geboren worden; und obwohl er gewusst hatte, dass sein Vater der jüngere Bruder von Sir John Hagdon gewesen war, besaß er nur eine äußerst unbestimmte Vorstellung vom Stammsitz der Familie – und das Interesse, das er daran hegte, war gar noch unbestimmter gewesen.
    Es hatte ihn nicht nur überrascht, sondern geradezu bestürzt, als innerhalb keines vollen Jahres erst sein Vater, dann dessen Bruder Sir John Hagdon und schließlich Sir Johns einziger Sohn einander in den Tod folgten und er einen Brief der Familienanwälte mit der Nachricht erhielt, dass er selbst der nächste Erbberechtigte war – was er sonst womöglich gar nicht mitbekommen hätte. Seine Mutter war ebenfalls verstorben und er selbst unverheiratet. Daher hatte er seine australische Schafzucht der Obhut eines fähigen Aufsehers anvertraut und unverzüglich die Schiffsreise nach England angetreten, um seine erblichen Vorrechte in Anspruch zu nehmen.
    Es war eine befremdliche Erfahrung für ihn. Und von allem am Befremdlichsten war das unerklärliche Gefühl der Vertrautheit, das er, der nie zuvor einen Fuß auf englischen Boden gesetzt hatte, beim ersten Blick auf Hagdon Manor verspürte. Er schien die Ländereien zu kennen, die Katen der Pächter, den Wald aus uralten Eichen mit ihrer Fracht druidischer Mistelbüsche und das historische, halb zwischen Eiben verborgene Herrenhaus, so als hätte er alles in einer früheren Epoche, die sich seiner Erinnerung entzog, bereits einmal gesehen. Dank seiner analytischen Veranlagung führte er dies auf die mangelnde Synchronisation der Prozesse in beiden Gehirnhälften zurück, welche von den Psychologen für derartige Phänomene verantwortlich gemacht wird. Doch das Gefühl blieb und gewann an Stärke in ihm; und mehr und mehr erlag er dem halb unheimlichen Zauber dieser Empfindung, während er das Besitztum erkundete und sich in die Familienarchive vergrub.
    Auch fühlte er eine unerwartete Verwandtschaft mit seinen Vorfahren – eine Empfindung, die

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