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Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2

Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2

Titel: Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Ashton Smith
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mich im Bett auf und lauschte angestrengt. Mit neu erwachendem Grausen erkannte ich, dass das Geräusch aus der Richtung des versperrten Zimmers kam. Es trug einen eigentümlichen Widerhall mit sich. Dann wurde es fast unhörbar. Und plötzlich verstummte es vorübergehend. Während dieser Zeit vernahm ich ein einzelnes Stöhnen wie von einem Mann, der unter dem Eindruck großer Pein oder großen Schreckens stand. Über den Ursprung des Stöhnens, das aus Sir John Tremoths Zimmer gedrungen war, bestand kein Zweifel; auch zweifelte ich nicht länger an der Ursache des Scharrens.
    Das Stöhnen wiederholte sich nicht. Dafür setzte das höllische, schabende Geräusch erneut ein und hielt bis zum Tagesbeginn an. Anschließend verstummte das leise, emsige Kratzen und ließ sich nicht wieder vernehmen, so als sei die Kreatur, die es verursachte, ausschließlich nachtaktiv. In einem Zustand dumpfer, albtraumhafter Vorahnung, benommen von Erschöpfung und Schlafmangel, hatte ich mit unerträglich angespanntem Gehör dem Geräusch gelauscht. Als es erstarb, im fahlgrauen Frühlicht, glitt ich in einen tiefen Schlaf hinüber, den die leisen, gestaltlosen Gespenster des alten Familiensitzes mir nicht länger zu verwehren vermochten.
    Ich wurde von einem lauten Klopfen an der Zimmertür geweckt – einem Klopfen, dem sogar meine schlaftrunkenen Sinne das Drängende und Dringliche entnehmen konnten. Es musste fast Nachmittag sein. Schlechten Gewissens, weil ich so hemmungslos verschlafen hatte, eilte ich zur Tür und öffnete sie. Der alte Hausdiener, Harper, stand auf der Schwelle. Seine zittrige, gramgebeugte Haltung verriet mir, noch ehe er ein Wort gesprochen hatte, dass etwas Furchtbares geschehen war.
    »Ich bedaure Ihnen mitteilen zu müssen, Mr. Chaldane«, sagte er mit schwankender Stimme, »dass Sir John tot ist. Er antwortete nicht wie üblich auf mein Klopfen – daher nahm ich mir die Freiheit, sein Zimmer zu betreten. Er muss heute Morgen in aller Frühe verschieden sein.«
    Über die Maßen schockiert von dieser Mitteilung, entsann ich mich des einzelnen Stöhnens, das ich beim ersten Morgengrauen vernommen hatte. Vielleicht hatte mein Gastgeber in genau jenem Augenblick den Geist aufgegeben. Zugleich erinnerte ich mich an jenes abscheuliche, albtraumhafte Schaben. Unweigerlich fragte ich mich, ob das Stöhnen von Angst ebenso wie von körperlicher Pein hervorgerufen worden war. Hatte die körperliche und seelische Anspannung während des Lauschens auf jenes abstoßende Geräusch den letzten Anfall von Sir Johns Krankheit herbeigeführt? Ich konnte dessen nicht sicher sein, doch schwirrte mein Hirn vor lauter grausigen und abscheulichen Mutmaßungen.
    Mit den hilflosen Gemeinplätzen, auf die man bei solchen Gelegenheiten zurückgreift, sprach ich dem betagten Hausdiener mein Beileid aus und bot ihm jede Hilfe an, die ich bei den notwendigen Vorbereitungen zum Umgang mit den sterblichen Überresten seines Herrn leisten konnte. Da im Haus kein Telefon vorhanden war, erbot ich mich, einen Arzt aufzutreiben, der den Leichnam untersuchen und den Totenschein ausstellen würde. Der alte Mann schien darüber von beträchtlicher Erleichterung und Dankbarkeit erfüllt.
    »Ich danke Ihnen, mein Herr«, sagte er tief empfunden. Dann, wie zur Erklärung: »Ich möchte Sir John nicht allein lassen – ich versprach ihm, dass ich seinen Leichnam streng bewachen würde.«
    Sodann kam er auf Sir Johns Wunsch nach Einäscherung zu sprechen. Anscheinend hatte der Baronet explizite Anweisungen hinterlassen, welche die Errichtung eines Scheiterhaufens aus Treibholz auf dem Hügel hinter Tremoth Hall, auf dem seine Leiche verbrannt werden sollte, und das anschließende Verstreuen seiner Asche auf den Feldern des Anwesens betrafen. Er hatte seinen Diener beauftragt und ermächtigt, diese Anordnungen nach seinem Tod schnellstmöglich umzusetzen. Niemand sollte bei der Zeremonie zugegen sein, außer Harper und den bezahlten Leichenträgern. Sir Johns nähere Verwandte (von denen keiner in der Umgegend wohnte) sollten von seinem Ableben erst Kenntnis erlangen, nachdem alles vorüber war.
    Ich lehnte Harpers Angebot ab, mir ein Frühstück zu bereiten, und erklärte, im Nachbardorf essen zu wollen. In Harpers Benehmen lag eine sonderbare Unruhe. Mit Gedanken und Gefühlen, die in dieser Erzählung nicht näher ausgeführt werden müssen, erkannte ich, dass Harper kaum abwarten konnte, seine versprochene Totenwache bei Sir Johns Leichnam

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