Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
anzutreten.
Es wäre ermüdend und überflüssig, eingehend bei dem trübseligen Nachmittag zu verweilen, der darauf folgte. Vom Meer her war wieder dichter Nebel aufgezogen und ich schien mir den Weg durch eine klamme und unwirkliche Welt zu ertasten, als ich die nahe gelegene Stadt zu erreichen suchte. Es gelang mir, einen Arzt ausfindig zu machen und ebenso einige Männer anzuheuern, die den Scheiterhaufen errichten und als Leichenträger fungieren sollten. Überall begegnete man mir mit einer eigentümlichen Verschlossenheit und niemand schien geneigt, sich zu Sir Johns Ableben zu äußern oder über die dunkle Legende zu sprechen, die mit Tremoth Hall untrennbar verbunden war.
Zu meiner Verwunderung hatte Harper vorgehabt, die Einäscherung sofort vorzunehmen. Dies erwies sich jedoch als undurchführbar. Denn sobald sämtliche Formalitäten und Vorbereitungen abgeschlossen waren, wich der Nebel einem gleichförmigen, endlosen Regenguss, der das Entfachen des Scheiterhaufens unmöglich machte. Daher sahen wir uns gezwungen, die Zeremonie zu verschieben. Ich hatte Harper zugesagt, dass ich im Haus bleiben würde, bis alles vorüber war. So kam es, dass ich eine zweite Nacht unter jenem Dach fluchbeladener und schrecklicher Geheimnisse verbrachte.
Die Dunkelheit senkte sich früh herab. Nach einem letzten Besuch im Dorf, den ich nutzte, um einige Sandwiches für Harper und mich selbst zu besorgen, welche uns das Abendbrot ersetzen sollten, kehrte ich zu dem einsamen Landsitz zurück. Als ich die Stufen zum Sterbezimmer emporstieg, trat mir Harper entgegen. Sein Gebaren offenbarte eine erhöhte Unruhe, als sei etwas vorgefallen, das ihm Angst einflößte.
»Ob Sie mir heute Nacht wohl Gesellschaft leisten wollen, Mr. Chaldane?«, fragte er. »Es ist eine grausige Totenwache, an der ich Sie teilzunehmen bitte, und sie könnte auch gefährlich werden. Doch Sir John wäre Ihnen dankbar, dessen bin ich gewiss. Wenn Sie irgendeine Art von Waffe im Gepäck haben, sollten Sie sie besser holen.«
Es war unmöglich, seine Bitte abzuschlagen, und ich willigte sofort ein. Eine Waffe besaß ich nicht. Daher bestand Harper darauf, mich mit einem altertümlichen Revolver zu versorgen, dessen Gegenstück in seiner eigenen Hand ruhte.
»Mal ehrlich, Harper«, fragte ich ihn unumwunden, als wir durch den Flur zu Sir Johns Zimmer gingen. »Wovor haben Sie Angst?«
Bei meiner Frage zuckte er merklich zusammen und schien nicht geneigt, darauf zu antworten. Doch nach einem Augenblick erkannte er wohl, dass Offenheit geboten war.
»Vor dem Ding in dem verschlossenen Zimmer«, erklärte er. »Sie müssen es gehört haben, mein Herr. Wir haben es versorgt, Sir John und ich, achtundzwanzig Jahre lang. Und immer hatten wir Angst, dass es ausbrechen könnte. Es hat uns nie viel Ärger bereitet … so lange wir ihm genug zu fressen gaben. Doch während der vergangenen drei Nächte scharrte es an der dicken Eichenholzwand zu Sir Johns Zimmer, was es zuvor noch nie getan hat. Sir John glaubte, dass es seinen Tod vorherahnte und an seinen Leichnam herankommen wollte – aus Hunger nach anderer Nahrung als der, die wir ihm vorsetzten. Aus diesem Grund müssen wir Sir John heute Nacht streng bewachen, Mr. Chaldane. Ich bete zu Gott, dass die Wand stabil genug ist. Doch das Ding fährt fort zu scharren und zu scharren wie ein Dämon – und mir gefällt der hohle Klang des Geräuschs nicht. Als wäre das Holz schon recht dünn.«
Entsetzt von dieser Bestätigung meiner furchtbarsten Ahnungen, vermochte ich darauf nichts zu erwidern, da jeder Kommentar erbärmlich unzureichend gewesen wäre. Aufgrund von Harpers offenem Bekenntnis warf die vermutete Abnormität einen dunkleren und weiter reichenden Schatten als zuvor, gewann eine stärkere und machtvollere Bedrohlichkeit. Gerne hätte ich auf die versprochene Totenwache verzichtet, doch ein Rückzieher verbot sich natürlich von selbst.
Das bestialische, teuflische Scharren, lauter und ungebändigter als bislang, fiel meine Ohren an, als wir an dem versperrten Zimmer vorüberkamen. Ohne Weiteres begriff ich die namenlose Furcht, die den alten Diener dazu getrieben hatte, um meinen Beistand zu bitten. Das Geräusch war unsagbar angsteinflößend und nervenzermürbend in seiner unerbittlichen, grausigen Beharrlichkeit, seiner Andeutung ghoulischen Hungers. Es wurde sogar noch vernehmbarer, mit einer grässlichen, zermürbenden Resonanz, als wir das Sterbezimmer betraten.
Während des
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