Die Grabräuber
dass dieser sich auch von der Peitsche trennte. Sie wechselte ebenfalls den Besitzer.
Hiatu nickte zufrieden. »Ja, so ist es gut«, erklärte er. »Wirklich gut. Und mach weiter.«
»Was denn noch?«
»Besitzt du keine anderen Waffen mehr?«
»Nein.«
»Du lügst. Du hast noch den Stab.«
»Das stimmt. Den gebe ich dir nicht, Hiatu. Ich bewahre ihn für meinen Ahnherrn auf.«
Hiatu lächelte schmal. »Gut, ich werde dir glauben. Erst wenn du La-Kau gegenüberstehst, wirst du ihn los. Warte noch einige Minuten ab, dann kannst du ihn sehen.«
»Wo befindet er sich denn?«
Der andere lachte heiser. »Das werde ich dir nicht verraten. Aber er ist näher, als du denkst.« Es waren Hiatus letzte Worte. Er drehte sich um und verschwand.
Suko dachte über den Satz nach. La-Kau befand sich also in seiner Nähe. Das Rauschen des Flusses nahm Suko nicht mehr so laut wahr wie zuvor. Seiner Ansicht nach waren sie abgebogen, vielleicht in einen kleinen Seitenarm gefahren, wo das eigentliche Ziel lag. Man würde sehen.
Im nächsten Moment erschütterte ein Schlag das Schiff. Plötzlich gerieten auch die Grabräuber aus dem Gleichgewicht. Suko sah eine Chance, er ließ es bleiben, zudem hatten sich seine Bewacher wieder schnell gefangen und richteten sofort ihre Pfeile gegen den Inspektor. Hiatu war sauer. Er schrie seinen Ärger hinaus. Anscheinend hatten die Menschen nicht schnell und sicher genug reagiert. Jetzt machte er sie wieder flott.
Einige Männer sprangen von Bord. Andere warfen Taue über die Reling, die von den Springern aufgefangen und um die Poller gewickelt wurden. Für Suko war die Lage klar. Sie hatten das Ziel erreicht, und das Schiff legte an. Jetzt entschied es sich.
Durch den vorhin erfolgten Ruck hatte sich Sukos Lage ein wenig verändert. Er war mehr zur Reling hingedriftet worden und konnte auch über sie hinwegschauen. Was er sah, ließ ihn nicht gerade jubeln. Wenigstens befand er sich nicht dort, wo er angenommen hatte. Weder in der Nähe eines Tempels noch einer Höhle, sondern in einer flachen Landschaft, die wie ein schwarzer, unendlicher Schatten jenseits der Bordwand lag.
Und hier sollte er seinen Ahnherrn treffen? Kaum zu fassen. In die Steinernen, die Suko nicht bewachen mussten, geriet Bewegung, Sie lösten sich von ihren Stellen, schritten über das Deck und bauten sich nebeneinander auf. Dabei markierten sie die gesamte Breitseite des Schiffes und stand dort wie eine Mauer. Vorbereitungen für das große Ereignis.
Für Suko hatte Hiatu keinen Blick mehr. Er wieselte über Deck, schaute überall nach, gab Kommandos und holte sechs Leute zusammen. Die Männer aus dem Dorf eilten herbei. In demutsvollen Haltungen blieben sie vor ihrem Meister stehen und schauten ihm ins Gesicht. Hiatu machte es spannend. Er lieg seine Blicke von einem zum anderen wandern und fragte: »Seid ihr bereit?«
Sie nickten.
»Dann holt ihn!«
Mit diesem Satz hatte er schon fast alles verraten. Suko wurde plötzlich klar, dass sich sein Ahnherr ganz in der Nähe befunden hatte. Und zwar auf dem Schiff, versteckt in seinem Bauch.
Hätte er das gewusst!
Jetzt ärgerte sich Suko, doch er behielt sich unter Kontrolle, denn Hiatu sollte nichts davon bemerken.
Die sechs Männer wandten sich einer Luke im Deckboden zu, die etwa drei Schritte von Suko entfernt lag. Dort bückten sich zwei von ihnen, klappten die Luke auf, und wenig später verschwanden alle sechs im dunklen Bauch des Schiffes.
Suko reckte den Kopf. Er schaute nach, doch er konnte in der Dunkelheit nichts erkennen.
Wie eine Katze schlich Hiatu näher. Für Suko und die Grabräuber hatte er keinen Blick mehr, sondern starrte allein auf die Öffnung im Deck. Die Steinernen, die Suko bisher bewacht hatten, bewegten sich. Sie bauten sich im Rücken des Inspektors auf und drängten dabei in die Reihe ihrer dort wartenden Artgenossen.
Die Spannung stieg. Auch bei Hiatu. Er stand gebückt am Rand der Luke. Seine Hände lagen flach auf den Schenkeln, den Kopf hatte er zusätzlich noch vorgebeugt, um in die Tiefe starren zu können. An Deck war es ruhig geworden. Deshalb vernahm Suko und die anderen auch die Geräusche aus dem Innern der Dschunke.
Hiatu lachte leise. »Sie holen ihn!« flüsterte er zu Suko gewandt. »Sie holen ihn und dann…« Er ließ die weiteren Worte unausgesprochen, nur seine Augen glänzten wie im Fieber.
Auch Suko war gespannt. Er spürte den Schweiß auf seinem Gesicht. Bisher hatte er nur von diesem seltsamen Mandarin
Weitere Kostenlose Bücher