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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Sitzungssaal erschienen.
    Einer der Abgesandten ergriff das Wort: »Der König ist jetzt nicht zu sprechen; wir haben drei Stunden Zeit.«
    »Nun, wir wollen diese drei Stunden benützen«, sagte der lahme Couthon. »Ich schlage vor, den Titel Majestät abzuschaffen.«
    Lauter, einstimmiger Beifall nahm diesen Antrag auf; der Titel Majestät wurde durch Akklamation abgeschafft.
    »Wie soll die vollziehende Gewalt genannt werden?« fragte eine Stimme.
    »König der Franzosen,« antwortete eine andere Stimme; »es ist ein schöner Titel, und Monsieur Capet kann sich wohl damit begnügen.«
    Alle Blicke richteten sich auf den Deputierten, der den König von Frankreich »Monsieur Capet« genannt hatte.
    Man sah einen Mann von athletischem Körperbau, in der Kleidung eines Landmannes mit einer großen Narbe an der linken Schläfe. Es war Billot.
    »Gut, er mag König der Franzosen heißen«, lautete der fast einstimmige Ruf.
    »Ich bitte ums Wort«, sagte Couthon. »Wir haben noch eine Stunde Zeit, ich schlage vor, dem Könige statt des Thrones einen einfachen Sessel hinzustellen.«
    Der Redner wurde durch rauschenden Beifall unterbrochen.
    »Nur Geduld,« sagte er, »ich bin noch nicht fertig. Ich schlage vor, daß der Sessel des Königs zur Linken des Präsidenten stehe.«
    »Aber«, entgegnete eine Stimme, »das heißt nicht nur den Thron abschaffen, sondern auch den König unterordnen.«
    Diesem Antrage folgte ein furchtbares Getümmel; aber er ging durch.
    »Es ist gut,« sagte Couthon, »die drei Stunden sind verflossen. Ich danke dem Könige der Franzosen für die Muße, die er uns geschenkt; wir haben unsere Zeit nicht mit Warten verloren.«
    Die Deputation begab sich wieder in die Tuilerien.
    Dieses Mal wurde sie vom Könige empfangen, aber sehr kurz abgefertigt.
    »Meine Herren,« sagte Ludwig XVI., »ich kann mich erst in drei Tagen in die Nationalversammlung begeben.«
    Dann kehrte er ihnen den Rücken zu.
    Am 4. Oktober ließ der König sagen, er sei leidend und werde erst am 7. in der Sitzung erscheinen.
    Ungeachtet der Abwesenheit des Königs wurde am 4. die Verfassung von 1791, das wichtigste Werk der letzten Nationalversammlung, in die neue Deputiertenkammer gebracht.
    Der für die königliche Sitzung bestimmte Tag kam, es war der 7. Oktober. Der König erschien.
    Der Empfang, der ihm in der neuen Deputiertenkammer zuteil wurde, übertraf alle Erwartung. Die Deputierten riefen: »Es lebe der König!«
    Gleich darauf aber riefen die Royalisten von den Tribünen: »Es lebe Seine Majestät!«
    Ein lautes Murren ließ sich in den Bänken der Volksvertreter hören.
    »Es ist gut, meine Herren,« rief Couthon hinauf; »morgen werden Sie an die Reihe kommen.«
    Der König gab durch einen Wink zu verstehen, daß er sprechen wollte.
    Die von Duport-Dutertre verfaßte Rede, die der König ablas, war ein Meisterstück und machte einen großen Eindruck auf die Versammlung. Sie handelte von der Notwendigkeit, die Ordnung zu wahren und das Wohl des Vaterlandes im Auge zu behalten.
    Der König hatte in seiner Rede gesagt, er fühle das Bedürfnis, von Ihnen geliebt zu werden.«
    »Wir auch, Sire,« sagte der Präsident, »fühlen das Bedürfnis von Ihnen geliebt zu werden.«
    Diese Worte wurden von der ganzen Versammlung mit lautem Beifall aufgenommen.
    Der König erklärte in seiner Rede, daß er die Revolution für beendet halte.
    Im selben Augenblick glaubte es die ganze Versammlung.
    Wäre Ludwig der XVI. nur nicht der freiwillige König des Klerus und der unfreiwillige König der Emigranten gewesen!
    In der folgenden Nacht schrieb der König an alle auswärtigen Mächte, um ihnen die Annahme der Verfassung von 1791 anzuzeigen.
    Die neue Nationalversammlung arbeitete hauptsächlich gegen die Emigranten und den Klerus.
    Isnard, ein Südländer, heftig, jähzornig, gewaltig in Rede und Tat, sagte:
    »Ich frage die Versammlung, ich frage ganz Frankreich, ganz Europa, ob jemand aufrichtig und mit gutem Gewissen behaupten will, daß die ausgewanderten Prinzen nicht gegen das Vaterland arbeiten ... Ich frage ferner, ob in dieser Versammlung jemand zu behaupten wagt, daß nicht jeder, der das tut, so schnell wie möglich angeklagt, verfolgt und bestraft werden muß ... Wer dieser Ansicht ist, stehe auf! ... Man hat behauptet, Schonung sei die Pflicht der Kraft; ich aber sage Ihnen, wir dürfen nicht ruhen und nicht rasten; wenn die Nation einen Augenblick einschlummert, so wird sie in Fesseln wieder erwachen. Es ist das

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