Die Graefin Charny
Kampf?«
»Fast Ihr ganzes diplomatisches Korps ist gegen Revolutionäre; ich werde Eurer Majestät zur Ernennung neuer Gesandten raten; ich werde über die Wahl derselben andere Ansichten haben und Personen vorschlagen, die Eurer Majestät nicht einmal dem Namen nach bekannt sind oder sich Ihrer Gunst nicht erfreuen. Wenn Einsprüche Eurer Majestät begründet sind, so werde ich gehorchen; werden die Wahlen hingegen von Ihren Umgebungen getroffen und sind sie geeignet, Eure Majestät zu kompromittieren, so werde ich bitten, mir einen Nachfolger zu geben ... Sire, denken Sie an die furchtbaren Gefahren, die Ihren Thron umlauern.«
»Erlauben Sie, daß ich Sie unterbreche. An diese Gefahren habe ich längst gedacht.«
Dann hob der König die Hand zu dem Porträt Karls I. auf und setzte, sich die Stirn mit dem Taschentuch abwischend, hinzu:
»Vielleicht wird das Blutgerüst von Whitehall auf dem Grèveplatz errichtet werden.«
»Sire,« sagte Dumouriez, »habe ich mich, trotz der Erklärungen, die ich Eurer Majestät zu geben die Ehre hatte, noch als Minister der auswärtigen Angelegenheiten zu betrachten?«
»Ja, Herr Dumouriez.«
»Dann werde ich in die erste Sitzung vier Depeschen mitbringen, die weder im Inhalte noch in der Form den Depeschen meiner Vorgänger gleichen werden; sie sollen den Verhältnissen angemessen sein. Wenn die erste Arbeit den Beifall Eurer Majestät hat, so werde ich fortfahren; wenn nicht, Sire, so werde ich jeden Augenblick zur Abreise bereit sein, um dem Vaterlande und meinem Könige an der Grenze zu dienen.«
Er verneigte sich, um sich zu entfernen.
»Warten Sie,« sagte der König; »über einen Punkt sind wir einig, es bleiben noch sechs andere zu erledigen.«
»Meine Kollegen ...«
»Ja, wählen Sie Ihr Ministerium.«
»Eure Majestät bürden mir eine schwere Verantwortung auf.«
»Ich glaube dadurch Ihren Wünschen zuvorzukommen.«
»Sire,« sagte Dumouriez, »außer Lacoste kenne ich in Paris niemanden, den ich für die Marine empfehlen könnte.«
»Ist er nicht Kriegskommissar?«
»Ja, Sire; er hat seine Entlassung genommen, um nicht zur Teilnahme an einer Ungerechtigkeit genötigt zu sein.«
»Das ist eine gute Empfehlung ... und die übrigen?«
»Ich werde mich mit Brissot, Condorcet, Petion, Gensonné beraten.«
»Also mit der ganzen Gironde?« so hieß die neue, immer noch gemäßigte Revolutionspartei, so benannt, weil ihre Hauptführer aus dem Departement der Gironde stammten.
»Ja. Sire.«
»Nun, versuchen Sie es mit der Gironde; wir wollen heute abend eine außerordentliche Sitzung halten, an der Sie, Degrave und Gerville teilnehmen werden.«
»Aber Duport-Dutertre?«
»Er hat seine Entlassung genommen.«
»Ich werde Eurer Majestät zu Befehl stehen.«
Dumouriez verneigte sich, um sich zu beurlauben.
»Nein,« sagte der König, »warten Sie einen Augenblick.«
Die Königin Marie Antoinette erschien mit Madame Elisabeth.
»Madame,« sagte der König, »dies ist Herr Dumouriez, der uns gute Dienste verspricht. Wir werden uns heute abend mit ihm über die Ernennung eines neuen Ministeriums beraten.«
»Herr Dumouriez,« sagte sie, »kennen Sie den Doktor Gilbert?«
»Nein, Eure Majestät«, antwortete der General.
»Dann machen Sie seine Bekanntschaft.«
»Darf ich fragen, aus welchem Grunde Eure Majestät ihn mir empfehlen?«
»Weil er ein trefflicher Prophet ist ... Vor drei Monaten prophezeite er mir, Sie würden der Nachfolger des Herrn von Narbonne werden.«
40. Kapitel
Am selben Abend erschien Dumouriez zur verabredeten Stunde mit seinen vier Depeschen. Degrave und Cahier de Gerville waren schon da und erwarteten den König.
Als der König eintrat, glaubte Dumouriez zu bemerken, daß die Tür offenblieb und daß sich die Tapete bewegte.
»Haben Sie Ihre Depeschen mitgebracht, Herr Dumouriez?« fragte Ludwig XVI. den General.
»Ja, Sire.«
Er zog die vier Schriftstücke aus der Tasche.
»An welche Mächte sind die Depeschen gerichtet?« fragte der König.
»An Spanien, Österreich, Preußen und England.«
»Lesen Sie sie vor.«
Dumouriez warf einen Blick auf die Tapete, an deren Bewegung er sehen konnte, daß jemand horchte.
Mit fester Stimme begann er die Depeschen vorzulesen. Der Minister sprach im Namen des Königs, aber im Geiste der Verfassung; er erörterte das wahre Interesse jeder Macht in bezug auf die französische Revolution.
Da jede Macht über die jakobinischen Flugschriften Klage führte, so verwahrte er
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