Die Graefin Charny
des Doktor Gilbert gebracht werden.
Für Billot war also nichts mehr zu fürchten, wohl aber für Katharina. Pitou hatte den Augenblick vorausgesehen, wo man den Verwundeten von dem hoffnungslosen Zustande seiner Frau in Kenntnis setzen würde. Er war überzeugt, daß Billot dann sogleich nach Villers-Cotterêts zurückkehren werde.
Und was war zu erwarten, wenn er Katharina auf dem Meierhofe fand?
Dies war der Punkt, über den Pitou sich mit Katharina aussprechen mußte. Er gestand ihr aufrichtig, wie viel er selbst von Billots Charakter fürchte; aber Katharina erklärte, daß sie das Bett ihrer Mutter nicht eher verlassen wolle, bevor sie der Sterbenden die Augen zugedrückt habe ... was ihr Vater auch mit ihr anstellen werde.
In der Nacht vom zehnten zum elften Tage, als alles Leben erloschen schien, gab die Kranke plötzlich einige Lebenszeichen von sich.
»Mutter! Mutter!« rief Katharina und kniete mit ihrem Kinde vor dem Bette der Mutter nieder.
Die Mutter Billot richtete sich auf, breitete langsam beide Arme über ihre Tochter und den kleinen Isidor aus und sagte mit großer Anstrengung, aber deutlich und mit feierlichem Ausdruck:
»Meine Kinder, ich segne euch!«
Dann sank sie auf das Kissen zurück; sie war tot.
38. Kapitel
Pitou traf alle nötigen Vorkehrungen zur Beerdigung der Entschlafenen. Zum Abbé Fortier mochte er nicht gehen. Er ging daher wegen der Totenmesse zu dem Meßner und bestellte den Totengräber.
Dann ging er nach Haramont, um seinem Leutnant Maniquet, seinem Unteroffizier und seinen einunddreißig Nationalgardisten anzuzeigen, daß die Beerdigung der Madame Billot am folgenden Tage um elf Uhr morgens stattfinden werde.
Man wußte nur zu gut, was Billot für die Idee, die alle Herzen entflammte, getan und gelitten hatte. Die gesamte Haramontaner Nationalgarde versprach daher, sich freiwillig und pünktlich in voller Parade auf dem Meierhofe einzufinden.
Abends kehrte Pitou nach Pisseleux zurück. Vor der Tür fand er den Tischler, der den Sarg brachte.
Katharina betete an dem Bette ihrer Mutter. Die Leiche war gewaschen und frisch angekleidet worden. Jetzt wurde sie in den Sarg gelegt, und für Katharina kam die schwere Stunde, in der sie auf immer von ihrer Mutter Abschied nehmen mußte ...
»Lebe wohl, Mutter!« sagte sie; »noch einmal, zum letzten Male ... lebe wohl!«
Dann verließ sie mit Pitou das Sterbezimmer.
Als Katharina an ihr Kämmerlein kam, hielt Pitou sie zurück.
»Ich meine, Mademoiselle Katharina,« stammelte Pitou etwas verlegen, »es ist an der Zeit, den Meierhof zu verlassen ... Sind Sie nicht auch der Meinung?«
»Ich verlasse den Meierhof erst, wenn meine Mutter ihn für immer verlassen hat«, antwortete das junge Mädchen.
Am andern Morgen um zehn Uhr kamen die zum Begräbnis eingeladenen Freunde in großer Anzahl auf den Meierhof.
Der Bürgermeister von Villers-Cotterêts, der gute Herr Longpré, war einer der ersten, die erschienen, um der Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen. Um halb elf Uhr rückte unter Trommelschlag und mit fliegender Fahne die Haramontaner Nationalgarde an. Sie war vollzählig erschienen, es fehlte nicht ein einziger Mann.
Katharina in tiefer Trauer, ihren ebenfalls ganz schwarzgekleideten Knaben auf dem Arm, empfing jeden Ankommenden, und keiner hatte ein anderes Gefühl, als Achtung für die trauernde Mutter und ihr so früh verwaistes Kind.
Man erwartete nur noch den Priester, die Kirchendiener und die Leichenträger, aber sie kamen nicht.
Pitou kannte den Abbé Fortier und ahnte, was kommen würde.
Der Abbé Fortier wollte bei dem Begräbnis der Madame Billot nicht erscheinen, unter dem Vorwande, daß die Pächtersfrau vor ihrem Ableben nicht gebeichtet hatte.
Diese Vermutung, die Pitou dem Bürgermeister gegenüber äußerte, machte auf alle Anwesenden einen peinlichen Eindruck.
Eine Weile sah man sich schweigend an, dann hörte man eine Stimme:
»Nun, wenn der Abbé Fortier die Messe nicht lesen will, so mag er's bleiben lassen.«
Es war die Stimme des Leutnants Maniquet.
»Meine Herren,« sagte der Bürgermeister, »ich rate Ihnen, sich nach Villers-Cotterêts zu begeben. Dort wird sich alles aufklären.«
Pitou gab vier Nationalgardisten einen Wink; man schob die Gewehrläufe unter den Sarg und hob ihn auf.
An der Haustür zog der Trauerzug vor der knienden Katharina vorüber. An ihrer Seite kniete der kleine Isidor.
Dann küßte sie die Schwelle, die sie nicht wieder zu überschreiten
Weitere Kostenlose Bücher