Die Graefin Charny
zu denen, die es für ganz unmöglich halten, daß ein Minister ein Patriot sei; ich nehme sogar die Zusagen des Herrn Dumouriez mit Vergnügen an. Wenn er diese Zusagen erfüllt, wenn er unsere Feinde, die von seinen Vorgängern und von einigen noch jetzt am Staatsruder sitzenden Verschworenen gegen uns aufgehetzt sind, geschlagen hat – dann werde ich geneigt sein, ihm Lob und Dank zu spenden; aber selbst dann glaube ich, daß ihm kein guter Bürger nachstehen wird. Nur das Volk ist groß, ist verantwortlich in meinen Augen. Daher verlange ich aus Achtung vor dem Volke, vor dem Minister selbst, daß man sein Erscheinen unter uns nicht durch Huldigungen begrüße, die den Verfall des öffentlichen Geistes bekunden würden. Er bittet um unsern Rat: ich, für meine Person, werde in seinem Interesse und zur Förderung des Gemeinwohls diesen Wunsch erfüllen. Solange Herr Dumouriez durch glänzende Beweise von Vaterlandsliebe und zumal durch wirkliche Dienste beweisen wird, daß er der Bruder der guten Bürger und der Verteidiger des Volkes ist, soll es ihm hier an Beistand nicht fehlen. Diese Gesellschaft hat von der Anwesenheit eines Ministers durchaus nichts zu fürchten; aber sobald ein Minister hier mehr Einfluß und Geltung bekommt als ein Bürger, verlange ich seine Ausschließung. Doch dies wird nie der Fall sein.«
Am folgenden Tage leistete das neue Ministerium in der Nationalversammlung den Eid und begab sich sodann in die Tuilerien.
Roland war in der Reihe der Minister der letzte. Der Zeremonienmeister ließ die ersten fünf durch, dem neuen Minister des Innern jedoch verweigerte er den Eintritt. Roland wußte nicht, warum man ihn nicht einlassen wollte. »Ich bin Minister wie die übrigen,« sagte er, »sogar Minister des Innern.«
Dumouriez hörte den Wortwechsel und kehrte um.
»Warum verweigern Sie Herrn Roland den Eintritt?«
»Aber mein Gott!« rief der Zeremonienmeister händeringend, »ein runder Hut und keine Schnallen!«
»Ja, Sie haben recht,« antwortete Dumouriez mit der größten Kaltblütigkeit; »ein runder Hut und keine Schnallen – es ist alles verloren!«
Dann schob er Roland in das Zimmer des Königs.
Das neue Kabinett hatte es nicht leicht.
Am 1. März war der Kaiser Leopold gestorben. Sein Nachfolger war Franz II., an dem die ausgewanderten Franzosen einen eifrigen Beschützer hatten; er war der Verbündete Preußens und natürlich der erklärte Feind der französischen Nation.
Herr von Noailles, der französische Gesandte in Wien, war als Arrestant in seinem Palais zu betrachten.
Preußen glaubte damals an der Spitze des deutschen Fortschritts zu stehen, es zehrte an den sonderbaren philosophischen Überlieferungen des Königs Friedrich.
Die sichtbaren Feinde Frankreichs waren also Franz II. und Friedrich Wilhelm; die noch unsichtbaren waren: England, Rußland und Spanien. Der kriegerische König von Schweden, Gustav III., sollte das Haupt dieser Verbindung werden.
Kaiser Franz II. erließ bald nach seiner Thronbesteigung eine diplomatische Note, in der folgende Forderungen gestellt wurden:
1. Genügende Bürgschaften für die in Frankreich gelegenen Besitzungen der deutschen Fürsten.
2. Zurückgabe Avignons.
3. Wiederherstellung der Monarchie in der Weise, wie sie bis zum 23. Juni 1789 bestanden hat.
Es war klar, daß diese Note mit den geheimen Wünschen des Königs und der Königin übereinstimmte.
Am 16. April wurde König Gustav auf einem Ball ermordet. Zwei Tage nach diesem in Frankreich noch unbekannten Morde erhielt Dumouriez die österreichische Note. Er begab sich sogleich zu Ludwig XVI.
Marie Antoinette wünschte den Krieg, weil sie von einem Kriege die Rettung erwartete; Ludwig XVI. hingegen fürchtete ihn.
Als er indes die Note las, sah er wohl ein, daß für Frankreich die Stunde gekommen sei, das Schwert zu ziehen und daß man nicht mehr zurückkönne.
In dieser verhängnisvollen Stunde gab es in Frankreich vier scharf gesonderte Parteien:
die starren Royalisten, zu denen die Königin gehörte;
die konstitutionellen Royalisten, zu denen sich der König zu bekennen glaubte;
die Republikaner;
die Anarchisten.
Die starren Royalisten hatten in Frankreichs abgesehen von der Königin, kein erklärtes Oberhaupt. Im Auslande wurden sie durch »Monsieur«, durch den Grafen von Artois, durch den Prinzen von Condé und den Herzog Karl von Lothringen vertreten. Breteuil in Wien und Mérêe d'Argenteau in Brüssel sind die Bevollmächtigten der Königin
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