Die Graefin Charny
imstande, Sie ermorden zu lassen ... Oh, das ist zu viel!«
Dumouriez war so weit wie möglich gegangen.
»Gott bewahre mich,« sagte er, »meine Königin so zu beleidigen. Der Charakter Eurer Majestät ist zu groß, zu edel, um Ihrem ärgsten Feinde einen solchen Argwohn einzuflößen; Sie haben heldenmütige Beispiele davon gegeben, die meine Bewunderung erregt und Ihnen meine treue Ergebenheit gesichert haben.«
»Ist das wirklich Ihr Ernst?«
»Ich schwöre es bei meiner Ehre! Ich habe durchaus kein Interesse, Eure Majestät zu täuschen; ich verabscheue Anarchie und Verbrechen. Ich besitze Erfahrung und bin besser in der Lage als Eure Majestät, die Ereignisse zu beurteilen. Was jetzt vorgeht, ist die fast einhellige Erhebung einer großen Nation gegen veraltete Bräuche. Wir brauchen nur unsere Blicke auf die noch keineswegs vollendete Revolution zu richten, um die Überzeugung zu gewinnen, daß der König und die Nation einander die Hand reichen müssen. Ich bin gekommen, um diese Vereinigung nach Kräften zu fördern. Helfen Sie mir, Majestät, anstatt meine Pläne zu durchkreuzen. Sobald ich für Eure Majestät in die Schranken trete, werden Sie entweder wieder die mächtige Königin, die glückliche Gattin und Mutter, oder ich lasse mein Leben in dem Kampfe.«
Er stand auf, verneigte sich und verließ schnell das Zimmer.
Die Königin sah ihm mit tiefem Schmerze nach.
»Die mächtige Königin?« sagte sie, »das ist vielleicht noch möglich ... aber die glückliche Frau werde ich nie, nie wieder! Oh, Charny!«
Dumouriez hatte sich so schnell entfernt, weil ihm der Schmerz der Königin weh tat. Überdies erwartete ihn Brissot, um ihn in den Jakobinerklub einzuführen.
Niemand war auf sein Erscheinen vorbereitet; denn es war ein großes Wagestück für einen Minister des Königs, in den Jakobinerklub zu kommen. Aller Blicke richteten sich daher auf ihn, sobald sein Name genannt wurde.
Selbst Robespierre sah sich um; eine unheimliche, bange Stille herrschte im Saale. Dumouriez sah wohl ein, daß er seine Schiffe hinter sich verbrennen mußte.
Die Jakobiner hatten die rote Mütze als Sinnbild der Gleichheit angenommen.
Dumouriez faßte rasch einen Entschluß; er nahm dem ersten besten Patrioten die rote Mütze ab, setzte sie sich auf, bestieg die Tribüne und hielt eine Ansprache über das Sinnbild der Gleichheit.
Der ganze Saal brach in lauten Beifall aus. Aber mitten unter dem Jubel hörte man ein Zischen, das immer stärker wurde und den Beifall plötzlich zum Schweigen brachte.
Es war ein langgedehntes »St!« aus den dünnen Lippen Robespierres.
Dumouriez gestand nachher mehr als einmal, daß das Pfeifen der über seinem Kopfe fliegenden Kanonenkugeln nie einen so unheimlichen Eindruck auf ihn gemacht habe, wie dieses Zischen aus dem Munde des Abgeordneten von Arras.
Aber Dumouriez war nicht nur ein tapferer General, sondern auch ein tüchtiger Redner; er war auf der Tribüne ebenso schwer zu überwinden wie auf dem Schlachtfelde.
Mit ruhigem Lächeln wartete er, bis wieder tiefe Stille eingetreten war, dann hob er mit dröhnender Stimme an:
»Brüder und Freunde, es wird künftig meine Lebensaufgabe sein, den Willen des Volks zu vollbringen und das Vertrauen des konstitutionellen Königs zu rechtfertigen.
In meinen Verhandlungen mit dem Auslande werde ich eine würdevolle, nachdrückliche Sprache führen, wie sie eines freien Volkes würdig ist, und die Folge dieser Verhandlungen wird entweder ein dauerhafter Friede oder ein entscheidender Krieg sein.«
Der Beifallssturm brach von neuem so laut aus, daß man das Zischen Robespierres kaum noch hörte.
»Wenn wir Krieg bekommen,« fuhr der Redner fort, »so zerbreche ich meine politische Feder und nehme meinen Rang in der Armee, um mit meinen Brüdern zu siegen oder Zu sterben. Eine schwere Last liegt auf meinen Schultern; Brüder, helfet mir sie zu tragen.«
Dumouriez schwieg und verließ unter lautem Beifall die Tribüne. Dieser Beifall verdroß Collot-d'Herbois, den so oft ausgezischten Schauspieler.
»Wozu dieser Beifall?« rief er. »Kommt Dumouriez als Minister hierher, so ist ihm nichts zu antworten; kommt er als Bruder, als Mitglied unserer Gesellschaft, so tut er nur seine Pflicht und teilt unsere Meinungen und Grundsätze; wir haben ihm daher nur eine Antwort zu geben: Er handle, wie er gesprochen hat«
Hierauf bestieg Robespierre das Rednerpult und begann mit dem ihm eigenen feierlichen Ausdruck:
»Ich gehöre keineswegs
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