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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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um sie, und das Datum flog leise von Mund zu Mund:
    »Am 20. Juni.«
    Was am 20. Juni geschehen sollte? das wußte man noch nicht; man wußte nur, daß etwas geschehen sollte.
    Unter den Männern, denen dieses Datum mitgeteilt wurde, konnte man etliche erkennen:
    Fournier, den Amerikaner, der durch die Räder eines Wagens auf Lafayette geschossen und dem dabei das Gewehr versagt hatte.
    Beausire, den wir schon kennengelernt haben, Mouchet, Gonchon, den Mirabeau des Volkes, und Danton.
    Mitten unter dieser Schar ging ein blasser, magerer junger Mann auf und ab. Er kannte niemand und niemand kannte ihn. Er wandelte einsam wie der Adler, den er in der Folge als Sinnbild wählen sollte.
    Es war der Artillerieleutnant Bonaparte, der zufällig in Paris auf Urlaub war.
    Dieser 20. Juni hatte eine sichtbare und eine geheime Bedeutung. Die eine war der Vorwand, die andere der Zweck. Der Vorwand war die Überreichung einer Bittschrift an den König und die Errichtung eines Freiheitsbaumes.
    Der Zweck war: Frankreich von Lafayette zu befreien und dem unverbesserlichen Könige zu zeigen, daß es politische Stürme gibt, in denen ein Monarch samt Krone und Familie untergehen kann, wie ein Schiff mit Mann und Maus im Ozean versinkt.
    Der Bastilleplatz wurde als Sammelplatz, der Tuilerienpalast als Ziel angegeben. Nachdem jeder versprochen hatte, sich auf den ihm angewiesenen Posten zu begeben, trennte man sich. Das allgemeine Losungswort war: »Auf die Tuilerien!« Was man dort wollte, das war noch unbestimmt. Am 20. Juni um fünf Uhr morgens waren die Bataillone versammelt. Gegen elf Uhr überbrachte ein Unbekannter den Marschbefehl; die unabsehbare Masse setzte sich in Bewegung. Als sie die Bastille verließ, bestand sie aus etwa zwanzigtausend Mann.
    Diese Schar bot einen entsetzlichen Anblick ... überall zerrissene Blusen, zerfetzte Jacken; Piken, Bratspieße, Säbel ohne Griff, lange Stangen, an deren Ende man Messer befestigt hatte, Beile; als Standarten trug man: einen Galgen mit einer daran hängenden Gliederpuppe, die die Königin vorstellte; – dann Fahnen mit den Aufschriften: »Sanktion oder Tod«; – »Zurückberufung der patriotischen Minister; – »Zittere, Tyrann, deine Stunde ist gekommen!«
    Die Nationalversammlung hatte den Lärm fast schon seit einer Stunde gehört, als die Kommissare der Volksmenge um die Erlaubnis baten, vor ihr zu defilieren.
    Die Volksmenge hat ihren Zweck erreicht; sie ist vor der Nationalversammlung vorübergezogen, sie hat ihre Petition abgelesen, es bleibt nur noch die Sanktion vom Könige zu verlangen.
    Die Nationalversammlung hatte die Deputation empfangen, wie hatte ihr der König den Zutritt verweigern können?
    Der König hatte die Antwort erteilen lassen, er werde die von zwanzig Personen zu überreichende Petition annehmen.
    Das Volk wollte unter den Fenstern vorüberziehen, während seine Abgeordneten die Petition überreichen würden. Alle die Fahnen mit den drohenden Aufschriften, alle die greulichen Standarten wollte man dem König und der Königin durch die Fenster zeigen. Alle Eingänge zu den Tuilerien waren geschlossen. Im Hofe und im Garten standen die Linienregimenter, einige Eskadrons Gendarmen und mehrere Bataillone Nationalgarde mit vier Kanonen. Die königliche Familie sah aus dem Fenster auf diesen scheinbaren Schutz herunter und schien ziemlich ruhig.
    Die Menge verlangte indes, man solle das zur Terrasse führende Gittertor öffnen. Die wachhabenden Offiziere weigerten sich, das Tor ohne Befehl des Königs öffnen zu lassen. Drei Munizipalbeamte, welche diesen Befehl erwirken wollten, wurden eingelassen.
    Mouchet führte das Wort.
    »Sire,« sagte er, »eine Volksschar zieht in aller Ordnung heran. Es ist nichts zu befürchten; friedliche Bürger haben sich vereinigt, um der Nationalversammlung eine Petition zu überreichen. Die Bürger wünschen über die Terrasse zu ziehen, wo das Gittertor nicht nur geschlossen, sondern auch durch Geschütze verteidigt ist. Wir bitten daher Eure Majestät, das Gittertor öffnen zu lassen und den freien Durchgang huldreichst zu gestatten.«
    Der König antwortete: »Sie sind Munizipalbeamter, Ihnen liegt daher die Wahrung des Gesetzes ob. Wenn Sie es im Interesse der Ruhe und Ordnung für notwendig halten, so lassen Sie das Gittertor der Terrasse öffnen; die Bürger mögen dann ihren Weg über diese Terrasse und durch das Stalltor nehmen.«
    Das Tor wurde geöffnet. Jedermann wollte hinein, und es entstand ein furchtbares

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