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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Gedränge. Das Gitter auf der Terrasse zerbricht wie ein Weidenbaum. Die Menge atmet auf und zerstreut sich vergnügt im Garten.
    Man hatte versäumt das Stalltor zu öffnen. Die Menge zog an den in Reihe und Glied stehenden Nationalgardisten vorüber und nahm ihren Weg durch das Tor am Kai. Da sie aber in ihre Vorstädte zurückkehren mußte, so wollte sie sich durch die Pforten des Karussellplatzes drängen. Diese Pforten waren geschlossen und bewacht; aber die Menschenmasse wird ungeduldig. Endlich werden die Pforten geöffnet und die Menge überschwemmt den großen Platz. Dort erinnert sie sich, daß das Hauptgeschäft des Tages die Petition um Zurücknahme des Vetos ist. Anstatt daher ihren Weg fortzusetzen, wartet sie auf dem Karussellplatz.
    Eine Stunde vergeht, und die Menge wird unruhig.
    Aber der König schien durchaus nicht gesonnen, diesen Wunsch zu erfüllen. – Es war heiß und man bekam Durst. Hunger, Durst und Hitze machen die Hunde wütend. Das arme Volk waffnete sich mit Geduld und wartete.
    Die Abgeordneten, die man mit Sehnsucht zurückerwartet, sind noch nicht einmal vor den König gelassen.
    Plötzlich hört man vom Kai her lautes Rufen. – Es sind Santerre und St. Huruge auf ihren Pferden, Theroigne auf ihrer Kanone.
    »Was macht ihr da vor dem Gitter? Warum geht ihr nicht hinein?«
    »Ihr seht ja, daß das Tor geschlossen ist!« sagten mehrere Stimmen.
    Theroigne springt von ihrer Kanone. »Sie ist geladen,« sagt sie; »gebt Feuer auf das Tor!«
    »Halt, halt!« riefen zwei Munizipalbeamte; »keine Gewalt ... das Tor soll geöffnet werden.«
    Sie zogen sogleich die Riegel zurück und rissen die beiden Türflügel auf. Die Volksmasse stürmt hinein wie ein reißender Strom. Die Kanone wird mit fortgerissen über den Hof, die Stufen hinan, bis oben auf die Treppe.
    Oben auf der Treppe stehen Offiziere mit Schärpen.
    »Was wollt ihr mit der Kanone?« fragen sie ... »Glaubt ihr durch eine solche Gewalttat etwas zu erlangen?«
    »Es ist wahr«, antworten die Leute, die ganz erstaunt sind, daß sie die Kanone so weit mitgeschleppt haben.
    Die Kanone wird umgedreht, um wieder die Treppe hinuntergeschoben zu werden; aber die Achse bleibt an einer Tür hängen, so daß sich die Mündung der Kanone gegen die Menge wendet.
    »Aha, der König hat in seinen Gemächern sogar Kanonen!« rufen die Ankommenden, die nicht wissen, wie es zugegangen ist, daß dieses Geschütz sich gegen sie gekehrt hat.
    Inzwischen wird das Türgesims auf Mouchets Befehl mit Äxten zerhauen, die Kanone losgemacht und wieder in das Erdgeschoß hinuntergeschoben.
    Das laute Dröhnen der Axthiebe erregt die Aufmerksamkeit der Leibgarden und der Dienerschaft. Zweihundert Edelleute eilen herbei.
    Die königliche Familie war im Zimmer des Königs versammelt. Plötzlich hört man die dröhnenden Axthiebe.
    In demselben Augenblick stürzt ein Mann in das Schlafzimmer des Königs und ruft:
    »Sire, verlassen Sie mich nicht ... Ich stehe für alles.«
    Dieser Mann war der Doktor Gilbert.
    »Was geht denn vor?« fragten der König und die Königin zugleich.
    »Das Schloß ist voller Menschen«, antwortete Gilbert. »Das Volk verlangt Eure Majestät zu sehen.«
    »Sire, wir verlassen Sie nicht!« sagten die Königin und Madame Elisabeth.
    »Sire,« sagte Gilbert, »wollen mir Eure Majestät für eine Stunde die Gewalt erteilen, die ein Schiffskapitän während eines Sturmes hat?«
    »Ja«, antwortete der König.
    In diesem Augenblick erschien der Kommandant der Nationalgarde in der Tür; er war bleich und bestürzt, aber fest entschlossen, den König zu verteidigen.
    »Herr Kommandant,« rief ihm Gilbert zu, »hier ist der König; er ist bereit, Ihnen zu folgen ... Gehen Sie, Sire, gehen Sie!«
    »Ich folge meinem Gemahl«, rief die Königin.
    »Und ich meinem Bruder«, setzte Madame Elisabeth hinzu.
    »Sire,« sagte Gilbert, »um des Himmels willen, bitten Sie Ihre Majestät, sich auf mich zu verlassen ... ich stehe sonst für nichts.«
    »Madame,« sagte der König, »befolgen Sie Herrn Gilberts Rat, und wenn es sein muß, fügen Sie sich seinen Anordnungen ... Herr Gilbert,« setzte er hinzu, »Sie bürgen mir für die Königin und den Dauphin.«
    Die Königin wollte noch einen Versuch machen, aber Gilbert streckte die Arme aus, um ihr den Weg zu versperren.
    »Madame,« sagte er zu ihr, »Eure Majestät sind in Gefahr, und nicht der König ... Ihnen legt man mit Recht oder Unrecht den Widerstand des Königs zur Last; Ihre

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