Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
Vom Netzwerk:
Anwesenheit würde ihn nur in Gefahr bringen. Folgen Sie mir mit den Hofdamen.
    Gilbert schob die Königin mit den Kindern und der Prinzessin von Lamballe in den Sitzungssaal; es wurde schon an die Türen geklopft.
    Er zog einen schweren Tisch vor das Fenster. Die erste notwendige Schutzwehr war gefunden.
    Unterdessen wurde immer lauter an die Tür gepocht. Gilbert eilte zur Tür, zog den Riegel zurück und sagte zu den anstürmenden Vorstädterinnen:
    »Nur herein, Bürgerinnen! ... die Königin und ihre Kinder erwarten euch.«
    Sobald die Tür offen war, wälzte sich der Menschenstrom herein wie durch einen durchbrochenen Damm.
    »Wo ist sie, die Österreicherin? Wo ist Madame Veto?« riefen fünfhundert Stimmen.
    Ein Mädchen mit fliegenden Haaren ging den übrigen voran, sie schwang einen Säbel in der Hand.
    »Wo ist die Österreicherin?« schrie sie. »Sie soll von meiner Hand fallen!«
    Gilbert nahm sie beim Arm und führte sie vor die Königin.
    »Hier ist sie!« sagte er.
    Marie Antoinette, die eine bewunderungswürdige Ruhe bewahrte, fragte mit dem sanftesten, herablassendsten Tone:
    »Habe ich dir persönlich etwas zuleide getan, mein Kind?«
    »Nein, Madame«, antwortete die Vorstädterin, sehr erstaunt über die würdevolle Haltung der Königin.
    »Warum willst du mich denn umbringen?«
    »Man sagt, Sie stürzten die Nation ins Elend«, erwiderte das junge Mädchen ganz verlegen und ließ die Spitze des Säbels auf den Fußboden sinken.
    »Dann hat man Euch belogen«, sagte Marie Antoinette. »Ich bin die Gattin des Königs von Frankreich und Mutter des Dauphin ... Sieh nur, hier steht er vor Euch ... Ich bin eine Französin. Ach! ich war glücklich, als Ihr mich liebtet!«
    Das Mädchen ließ, den Säbel fallen und fing an zu weinen.
    »Ach, Madame, ich kannte Sie nicht! ... Verzeihen Sie mir! Ich sehe, daß Sie gut sind.«
    Ludwig XVI. hatte inzwischen einen ähnlichen Auftritt erlebt. Kaum war er in den Saal des sogenannten »Oeil de Boeuf« gekommen, so wurde die Türfüllung zertrümmert, und die Spitzen der Bajonette und Piken drangen durch die Öffnungen.
    »Machen Sie auf!« rief der König.
    »Bürger!« rief d'Hervilly laut durch die Tür, »es ist überflüssig, die Tür einzuschlagen ... der König hat befohlen, sie zu öffnen.«
    Zugleich zieht er die Riegel zurück, dreht den Schlüssel um, und die halb zertrümmerte Tür tut sich auf.
    Der Herzog von Mouchy und der Nationalgarde-Kommandant haben eben Zeit gehabt, den König in eine Fensternische zu schieben, während einige Grenadiere eine Schutzwehr von umgestürzten Bänken vor ihm errichten.
    Als die Menge tobend und mit lauten Verwünschungen in den Saal stürzte, konnte sich der König nicht enthalten, seinen Getreuen zuzurufen:
    »Hierher, meine Herren!«
    Vier Grenadiere zogen sogleich ihre Säbel und stellten sich zu beiden Seiten des Königs auf. »Den Säbel eingesteckt, meine Herren!« rief Ludwig XVI. »Bleiben Sie an meiner Seite, mehr verlange ich nicht.«
    Diese Mahnung wäre fast zu spät gekommen; die blitzenden Säbelklingen schienen eine Herausforderung zu sein.
    Ein in Lumpen gekleideter Mensch stürzte wütend auf den König los.
    »Da bist du ja, Veto!« sagte er und schlug mit einem Stock, an welchem eine Messerklinge befestigt war, nach dem König.
    Einer der Grenadiere, der trotz des Befehls des Königs seinen Säbel noch nicht in die Scheide gesteckt hatte, schlug den Stock mit dem Säbel nieder.
    Der König, der unterdessen seine Fassung wiedergewonnen hatte, schob den Grenadier zur Seite und sagte:
    »Lassen Sie mich ... Was kann ich mitten unter meinem Volk zu fürchten haben?«
    Ludwig XVI. trat mit würdevollem Anstand einen Schritt vor und bot den Mordwaffen aller Art, die gegen ihn gerichtet waren, seine wehrlose Brust.
    »Still!« sagte mitten in dem furchtbaren Tumult eine Stimme; »ich will reden!«
    Es war die Stimme des Fleischers Legendre.
    Er trat dem Könige so nahe, daß er ihn fast berührte. – Man hatte einen Kreis um ihn gebildet.
    In diesem Augenblick erschien hinter Dantons herkulischer Gestalt das blasse, aber heitere Gesicht Gilberts.
    »Monsieur«, sagte Legendre, den König anredend.
    Ludwig XVI. sah sich rasch um, als ob ihn eine Schlange gebissen hätte.
    »Ja, Monsieur ... Monsieur Veto, mit Ihnen rede ich«, sagte Legendre. »Hören Sie mich daher an, denn es ist Ihre Schuldigkeit, uns anzuhören ... Sie haben uns von jeher betrogen und betrügen uns noch; aber nehmen Sie sich in

Weitere Kostenlose Bücher