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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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der Sache, der er zu dienen glaubte. Der alte Kavalier zog seinen Degen, kniete vor dem König nieder und schwor mit zitternder Stimme, für den »Sohn Heinrichs IV.« zu sterben.
    Die Nationalgarde hatte aber keineswegs große Sympathien für den französischen Adel, sondern nur für den konstitutionellen König.
    Diese Stimmung machte sich in dem auf allen Seiten ertönenden Ruf: »Es lebe die Nation!« Luft. Die wenigen Stimmen, welche riefen: »Es lebe der König!« wurden kaum gehört.
    Man hatte eine Scharte auszuwetzen und trieb den König fast mit Gewalt in den sogenannten »Königshof« hinunter.
    Die Royalisten riefen auch hier: »Es lebe der König!« Aber diese schwache Kundgebung wurde durch den lauten Ruf: »Es lebe die Nation!« beantwortet. Und als die Royalisten nicht nachließen, riefen die Patrioten: »Nein, nein! kein anderer König als die Nation!«
    Ludwig XVI. antwortete ihnen in fast bittendem Tone: »Ja, Kinder, die Nation und euer König sind eins und werden es bleiben.«
    »Holen Sie den Dauphin«, sagte Marie Antoinette leise zu der Prinzessin Elisabeth; vielleicht wird der Anblick eines Kindes sie rühren.«
    Man holte den Dauphin. – Unterdessen setzte der König diese traurige Musterung fort. Er kam auf den unglücklichen Gedanken, sich den Artilleristen zu nähern.
    Das war ein Fehler, denn die Artilleristen waren fast ohne Ausnahme Republikaner. Hätte der König es verstanden, diese Truppe, die sich aus Überzeugung von ihm anwandte, an sich zu ziehen, so wäre es ein kühner Schritt gewesen, der wohl einen glücklichen Erfolg hätte haben können. Aber Ludwig XVI. war weder beredt noch entschlossen, noch herzgewinnend in seinem Wesen. Er begann zu stammeln; die Royalisten, die seiner Verlegenheit zu Hilfe kommen wollten, stimmten den sehr unzeitigen Ruf, der schon zweimal eine üble Wirkung gehabt, noch einmal an.
    Dieser Ruf: »Es lebe der König!« hätte beinahe einen Zusammenstoß herbeigeführt. Einige Kanoniere verließen ihren Posten und traten drohend auf den König zu.
    »Glaubst du denn,« sagten sie, »wir würden auf unsere Brüder schießen, um einen Verräter, wie du bist, zu verteidigen?«
    Marie Antoinette zog den König zurück.
    »Der Dauphin! der Dauphin!« riefen mehrere Stimmen. »Es lebe der Dauphin!«
    Niemand wiederholte diesen Ruf; der arme Knabe kam zu sehr ungelegener Stunde.
    Die Rückkehr des Königs ins Schloß war ein Rückzug, fast eine Flucht. Ludwig XVI. kam fast atemlos in seine Gemächer und warf sich in einen Lehnstuhl. Marie Antoinette, die an der Tür stehenblieb, sah sich nach allen Seiten um, als ob sie eine Hilfe, einen Beistand suchte. Sie bemerkte den Grafen von Charny, der sich an die zu ihren Gemächern führende Tür lehnte. Sie ging auf ihn zu.
    »Ach! Herr Graf,« sagte sie, »es ist alles verloren!«»Ich fürchte wohl, Madame«, antwortete Charny.
    »Können wir noch fliehen?«
    »Nein, es ist zu spät.«
    »Was bleibt uns denn noch übrig?«
    »Zu sterben«, antwortete Charny, sich verneigend.
     

45. Kapitel
     
    Kaum war Maudat ermordet, wurde Santerre zu seinem Nachfolger ernannt. Santerre ließ sogleich in allen Straßen Generalmarsch schlagen und erteilte den Befehl, in allen Kirchen die Sturmglocken zu läuten. Dann schickte er Patrouillen aus mit dem Befehl, bis zu den Tuilerien vorzudringen und vor allem die Nationalversammlung zu schützen.
    Gegen Morgen hatte man elf Personen verhaftet und festgesetzt.
    Ihren Führer Suleau nahm man ins Verhör.
    »Wo sind Sie verhaftet worden?«
    »Auf der Terrasse des Schlosses.«
    »Was hatten Sie da zu tun?«
    »Ich hatte Befehl vom Gemeinderat, mich im Schlosse von der Lage der Dinge zu unterrichten und Bericht darüber zu erstatten.«
    »Haben Sie diesen Befehl bei sich?«
    »Hier ist er.«
    Der Befehl war deutlich und bündig. Man mußte Suleau mit seinen zehn Leuten freigeben.
    Als aber der Name bekannt wurde, rief die Menge: »Suleau soll mit seinem ganzen Anhang sterben!«
    Suleau hörte die Stimmen, die seinen Tod verlangten. Er rief den Kommandanten des aus zweihundert Nationalgardisten bestehenden Postens, der ihn bewachte.
    »Lassen Sie mich hinaus,« sagte er; »ich will als Opfer der Volkswut fallen. Dann ist alles abgetan, und zehn Leben werden gerettet.« Man wollte die Tür nicht öffnen. Er versuchte aus dem Fenster zu springen, aber seine Mitgefangenen hielten ihn zurück; sie konnten nicht glauben, daß man sie ohne weiteres den Würgern überliefern werde. Sie

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