Die Graefin Charny
irrten sich. Der Präsident Bonjour, durch das Geschrei der Volksmenge eingeschüchtert, gab der Forderung der Menge Gehör und verbot der Nationalgarde, dem Willen des Volkes entgegen zu handeln.
Die Nationalgarde gehorchte. Die Tür wurde frei. Das Volk stürzte in das Gefängnis und ergriff den ersten, der ihm in die Hände fiel.
Es war ein gewisser Abbé Bouyon, dramatischer Dichter. Er wurde dem Kommissär, der ihn zu retten suchte, mit Gewalt entrissen und in den Hof geschleppt und sank, von einem Bajonett durchbohrt, zu Boden.
Während dieses Kampfes entkamen zwei Gefangene.
Nach dem Abbé Bouyon kam ein vormaliger Leibgardist, namens Solminac, an die Reihe. Er leistete kräftigen Widerstand, sein Tod wurde dadurch nur um so entsetzlicher.
Dann wurde ein dritter, dessen Name nicht bekannt ist, niedergemacht. Der vierte war Suleau.
Suleau war stark. Er schlug drei bis vier Männer mit kräftiger Faust zu Boden und entriß einem der Mörder den Säbel. Ein furchtbarer Kampf begann. Zwei seiner Gegner lagen schon blutend zu seinen Füßen. Suleau machte sich dreimal los und schlug sich durch bis zur Tür; aber um sie zu öffnen, mußte er sich umdrehen. So wurde er einen Augenblick wehrlos, und dieser Augenblick genügte den Mördern, um ihm mit zwanzig Säbeln und Bajonetten den Garaus zu machen.
Während Suleau noch mit den Mördern kämpfte, entkam ein dritter von den Gefangenen.
Der fünfte entlockte allen einen Ausruf der Bewunderung. Es war ein vormaliger Leibgardist des Königs, namens Vigier, den man den »schönen Vigier« nannte. Da er ebenso mutig und gewandt als schön war, kämpfte er länger als eine Viertelstunde, fiel dreimal zu Boden, stand dreimal wieder auf und färbte auf dem ganzen Hofe fast jeden Pflasterstein mit seinem Blute, aber auch mit dem Blute seiner Mörder. Endlich wurde er, wie Suleau, durch die Übermacht erdrückt und niedergemetzelt.
Die vier übrigen wurden fast ohne Widerstand niedergemacht.
Die neun Leichname wurden auf den Vendômeplatz geschleppt, enthauptet, ihre Köpfe auf Piken gesteckt und in den Straßen von Paris umhergetragen.
Während dieser letzten Mordszene – es war zwischen acht und neun Uhr morgens – verlangten elftausend Nationalgardisten, durch die Sturmglocke Barbarouxs und den Generalmarsch Santerres zusammengerufen, den Befehl, gegen die Tuilerien zu rücken. Man ließ sie eine Stunde warten. Zwei Gerüchte wurden verbreitet: man erwarte Zugeständnisse aus den Tuilerien, und die Vorstadt Saint-Marceau sei noch nicht bereit, und ohne sie könne man nicht vorrücken.
Eine Schar von tausend Pikenträgern wurde ungeduldig; sie durchbrach die Reihen der Nationalgarde und erklärte, sie würde allein die Tuilerien nehmen. Einige Verbündete aus Marseille stellten sich an ihre Spitze und wurden durch einstimmigen Zuruf als Führer begrüßt. – Dies war der Vortrab des Aufstandes.
Inzwischen war der Adjutant, welcher Zeuge der Ermordung Maudats gewesen, im Galopp nach den Tuilerien zurückgeeilt; aber erst, nachdem der König den unheilvollen Gang durch die Höfe gemacht hatte, konnte der Offizier zu Ludwig XVI. und Marie Antoinette gelangen und ihnen die traurige Nachricht melden. Die Königin konnte es nicht glauben, sie ließ sich die schreckliche Geschichte einmal, zweimal erzählen. Dann ließ sie durch ihren Kammerdiener Weber den Generalprokurator Röderer holen. Auf der Schloßuhr schlug es neun Uhr.
Während Weber den Herrn Röderer suchte, begab sich der Schweizerhauptmann Durler in den ersten Stock hinauf, um vom Könige oder Schloßkommandanten die letzten Befehle in Empfang zu nehmen.
Der Graf von Charny bemerkte ihn.
»Was wünschen Sie, Kapitän?« fragte er.
»Ich komme, um die letzten Befehle in Empfang zu nehmen, denn die Spitze der Aufrührerschar ist schon bis an den Karussellplatz vorgedrungen.«
»Der Befehl lautet: Mutige Abwehr, denn der König ist entschlossen, in unserer Mitte zu sterben.«
Der Kapitän hatte die Wahrheit gesagt: der Vortrab der Aufrührer wurde schon sichtbar. Es waren die tausend Pikenträger, an deren Spitze etwa zwanzig Marseiller und dreißig bis vierzig Gardes-Françaises, von demselben Korps, das drei Jahre vorher die Bastille genommen hatte, marschierten. Mitten unter den letzteren glänzten die goldenen Epauletten eines jungen Kapitäns. Es war Pitou, der auf Billots Empfehlung einen wichtigen Auftrag bekommen hatte.
Hinter diesem Vortrabe marschierte in beträchtlicher Entfernung ein
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