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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Priestergäßchen, als plötzlich ein Elender, ein Haarkräusler namens Charlot die Reihen durchbrach und ihr mit seiner Pike die Haube vom Kopfe stieß. Ob er ihr nur die Haube abreißen oder sie ins Gesicht treffen wollte, läßt sich nicht entscheiden.
    Ihr Blut floß. Der Anblick von Blut weckt Blutdurst. Ein Mann warf der Prinzessin ein Holzscheit an den Kopf. Sie wankte und sank auf die Knie nieder. Nun war sie nicht mehr zu retten. Von allen Seiten drang man mit Säbeln und Piken auf sie ein. Die Unglückliche gab keinen Laut von sich.
    In einem Augenblick waren ihre Kleider zerrissen, und sie war nackt der Menge preisgegeben. Man legte sie auf einen Eckstein, und vier Männer wischten das aus sieben Wunden fließende Blut ab. So blieb sie von acht Uhr bis Mittag liegen. Ein Bewaffneter näherte sich und hieb ihr den Kopf ab.
    Der Unmensch, der dieses Verbrechen beging, das an einem Leichnam vielleicht noch scheußlicher ist als an einem lebenden Wesen, hieß Grison.
    Ein zweiter, namens Rodi, schnitt ihr die Brust auf und riß ihr das Herz heraus.
    Kopf und Herz steckte man auf Piken und zog damit zum Temple. Eine große Menschenmenge folgte den Unholden. Man trat in einen Friseurladen ein und stellte den Kopf auf einen Tisch. »Frisieren Sie mir diesen Kopf,« sagte der Pikenträger, »er wird im Temple seine Aufwartung machen.«
    Dann ging der Zug unter dem lauten Geschrei der Menge weiter.
    Dieses Geschrei hatte die königliche Familie, die eben bei Tisch saß, gehört. – Die Mörder verlangten, daß eine Deputation von zehn Mördern, darunter die drei Pikenträger, eingelassen würden; sie sollten die Runde um den Turm machen, um der Königin die blutigen Trophäen zu zeigen. Das Ansinnen war so vernünftig, daß es ohne Widerrede bewilligt wurde.
    Der König saß an einem Tische und tat so, als ob er mit der Königin Triktrak spielte. Plötzlich bemerkte der König, daß der eine Beamte hastig die Tür verschloß und die Fenstervorhänge zuzog.
    »Was gibt's denn?« fragte der König.
    In diesem Augenblick wurde an die Tür geklopft.
    Offiziere und einige Munizipalbeamte traten ein.
    »Es geht das Gerücht,« sagte ein Offizier, »es sei niemand mehr im Turm und Sie wären alle entkommen. Zeigen Sie sich am Fenster, um das Volk zu beruhigen.«
    Der König sah keinen Grund, dieser Aufforderung nicht Folge zu leisten.
    »Tun Sie es,« sagte einer, »man will Ihnen den Kopf und das Herz der Prinzessin von Lamballe zeigen, um Ihnen zu beweisen, wie das Volk seine Tyrannen behandelt. Ich rate Ihnen, sich sehen zu lassen, wenn Sie nicht wollen, daß der Kopf der Prinzessin hierhergebracht wird.«
    Die Königin fiel mit einem lauten Schrei in Ohnmacht.
    Der König sah sich um und sagte zu dem Offizier:
    »Sehen Sie, was Sie getan haben!«
    »Meine Mutter«, sagt Madame Royale in ihren Memoiren, »blieb seit jener Schreckensszene stumm und unbeweglich. Sie sah nichts von allem, was im Zimmer vorging; das Entsetzen hatte sie zur Bildsäule gemacht.«
     

53. Kapitel
     
    Am 21. September um die Mittagstunde tat sich die Tür des großen Saales der Reitschule auf und die siebenhundertneunundvierzig Mitglieder der neuen Nationalversammlung erschienen, um ihre Plätze einzunehmen.
    Zweihundert Deputierte waren Mitglieder der alten Nationalversammlung gewesen. Der Nationalkonvent war unter dem Eindruck der Septembernachrichten gewählt worden, die Vermutung lag daher sehr nahe, daß in der neuen Versammlung ein reaktionärer Geist herrsche.
    Aber in einem Gefühl stimmten die Abgeordneten jedenfalls überein: sie verurteilten die Septembergreuel und haßten die Vertreter der Stadt Paris, denn diese stammten fast alle aus dem Gemeinderate, dem Anstifter jener Schreckenstage.
    Man hätte sagen können, das vergossene Blut fliehe mitten durch den Sitzungssaal und trenne die hundert Deputierten der Stadt von den übrigen Mitgliedern der Nationalversammlung.
    Unter den Gehaßten saßen: Robespierre, Danton und Marat! Ihr Ziel war, wie die Girondisten behaupteten, die Diktatur.
    Zwei Männer saßen auf den beiden entgegengesetzten Seiten dieser Nationalversammlung. Es waren Billot und Gilbert.
    Gilbert saß auf der äußersten Rechten, Billot auf der äußersten Linken.
    Pétion wurde einstimmig zum Präsidenten ernannt.
    Fast der ganze Nationalkonvent wollte die Republik. Die Girondisten hatten jedoch beschlossen, die Frage über die Veränderung der Regierungsform erst später zur Sprache zu bringen. Aber am 20.

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