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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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kann der König nicht bei uns sein? Wenn's auch nur einige Minuten täglich, wenn's auch nur bei Tische wäre!«
    Die Prinzessin Elisabeth und Madame Royale standen mit gefalteten Händen, ohne ein Wort zu sagen, dabei.
    »Meine Herren,« sagte der Dauphin, »ich bitte Sie, lassen Sie meinen Vater wieder zu uns kommen! Ich will auch für Sie beten.«
    Die Hüter sahen einander an, ohne zu antworten.
    »Heute«, sagte endlich der Beamte, der mit dem Könige gesprochen, »heute können Sie noch zusammen speisen.«
    »Aber morgen?« sagte die Königin.
    »Madame,« antwortete der Mann, »wir müssen nach den Beschlüssen des Gemeinderats handeln; morgen werden wir tun, was er befiehlt ...«
    Auch ein Munizipalbeamter konnte sich der Tränen nicht erwehren.
    Dann sagte er, seine Gefühle bekämpfend, zu der Königin: »Als Sie am 10. August das Volk morden ließen, haben Sie keine Tränen vergossen!«
    »Ach! das Volk hat sich über unsere Gefühle sehr getäuscht! Wenn es uns besser zu beurteilen wüßte, würde es wie Sie über uns weinen.«
    Der Tisch wurde in der neuen Wohnung des Königs gedeckt. Die ganze Familie wurde hinübergeführt. Man war sehr vergnügt wie bei einem Festschmause; durch den einzigen Tag glaubte man alles gewonnen zu haben.
    Man hatte in der Tat viel gewonnen, denn von nun an hörte man nichts mehr von dem Beschlusse des Gemeinderates, und der König war, wie früher, den ganzen Tag bei seiner Familie.
     
     

54. Kapitel
     
    Am Morgen desselben Tages, wo sich dies im Temple zutrug, kam ein Mann mit einer roten Jakobinermütze und auf eine Krücke gestützt in das Ministerium des Innern.
    »Ich wünsche den Minister zu sprechen.« (Seit vierzehn Tagen war der Titel »Monsieur« abgeschafft.)
    »Mein Freund, Sie müssen wissen, daß man den Minister nicht so ohne weiteres sprechen kann«, sagte der Türsteher.
    »Ich will Anzeige von einer Verschwörung machen; ich bin Nicolas Claude Gamain, der vormalige Schlossermeister Ludwig Capets.«
    Es heißt ja, daß dem Spitzbuben der Prozeß gemacht werden soll ... Was ich zu sagen habe, wird für die Nation vielleicht nicht unwesentlich sein.«
    Diese Worte schienen großen Eindruck auf den Türsteher zu machen, und er meldete dem Minister den Schlossermeister Nicolas Claude Gamain.
    Der Minister Roland sah Gamain vom Kopf bis zu den Füßen an.
    »Setzen Sie sich, Citoyen«, sagte er; »Sie scheinen leidend.«
    »Jawohl, ich bin leidend,« erwiderte Gamain, indem er sich auf einen Stuhl niederließ, »seit mich die Österreicherin vergiftet hat.«
    Bei diesen Worten konnte der Minister seinen tiefen Abscheu nicht verbergen, und er wechselte einen vielsagenden Blick mit seiner Frau, die an allen politischen Fragen tätigen Anteil nahm.
    »Und Sie sind gekommen, um Anzeige von dieser Vergiftung zu machen.«
    »Ja, und ich habe noch etwas anderes anzuzeigen.«
    »Können Sie Ihre Aussagen beweisen?«»Kommen Sie nur mit mir in die Tuilerien, ich werde Ihnen den eisernen Schrank zeigen, wo Capet seinen Schatz versteckt hielt.«
    Roland trat auf seine Frau zu und sah sie fragend an.
    »Es ist etwas Wahres daran,« sagte sie; »der Name dieses Mannes fällt mir jetzt ein ... er ist der Schlossermeister des Königs.«
    Roland zog die Glocke. Der Türsteher erschien.
    »Ist ein bespannter Wagen im Hofe?« fragte der Minister.
    »Ja.«
    »Lassen Sie ihn vorfahren.«
    »Kommen Sie, Freund«, sagte der Minister zu dem Meister Gamain.
    Gamain hinkte zum Zimmer hinaus.
    »Ich sagte dir ja,« murrte er, »daß ich dir's heimzahlen würde!«
    Was meinte der Elende? Was wollte er heimzahlen? All das Gute, was der König ihm getan hatte!
    Der eiserne Schrank, den Meister Gamain angezeigt und geöffnet hatte, enthielt zum größten Leidwesen des Ministers Roland und seiner Frau nichts gegen Dumouriez und Danton. Einen großen Teil seiner Papiere hatte der König vor seiner Verhaftung der Madame Campan übergeben, und die vorgefundenen Schriften kompromittierten hauptsächlich Ludwig XVI. und den Klerus; sie zeigten den kleinlichen, beschränkten, undankbaren Geist des Königs, der nur die haßte, die alles aufgeboten hatten, ihn zu retten: Necker, Lafayette und Mirabeau. Auch gegen die Girondisten fand sich nichts vor.
    Der Konvent bewilligte dem Meister Gamain für seine schöne Handlung eine jährliche Pension von zwölfhundert Limes. Der schändliche Angeber starb übrigens bald nachher unter furchtbaren Qualen. Die Strafe des Himmels traf ihn weit härter, als

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