Die Graefin Charny
September, dem Tage der Schlacht von Valmy, in der Dumouriez die Preußen schlug, lieferten andere Kämpfer eine Schlacht, die noch entscheidender und folgenreicher war. Saint-Just, Panis, Billaud-Varennes, Collot d'Herbois und einige andere Mitglieder der künftigen Nationalversammlung waren im Palais-Royal versammelt und speisten. Sie verabredeten, am folgenden Tage ihren Feinden das Wort Republik als Handschuh hinzuwerfen.
Collot d'Herbois hatte sich erboten, den Antrag zu stellen.
Kaum hatte Franz von Neufchâteau die Vollmachten der vorigen Nationalversammlung übergeben, so verlangte Collot d'Herbois das Wort.
»Bürgerrepräsentanten,« sagte er, »ich stelle den Antrag: der erste Beschluß der eben zusammengetretenen Nationalversammlung sei die Abschaffung des Königtums.«
Die Verkündung der Republik entsprach einem laut ausgesprochenen Wunsche, einem dringenden Bedürfnis der Nation; es war die Weihe des langen Kampfes, den das Volk bestanden; es war die Erhebung des Volkes auf Kosten des Königtums. Jeder Franzose schien aufzuatmen, als ob ihm die Last des bourbonischen Thrones von der Brust gewälzt wäre.
Die Stunden der Täuschung waren kurz; man glaubte eine Republik zu proklamieren und bestätigte eine Revolution.
Die wahren Republikaner, die eine von Verbrechen freie Republik wollten, freuten sich. Die Republik war ja die Verwirklichung ihres höchsten Wunsches, endlich hatten sie es dahin gebracht, daß man unter den Trümmern von zwanzig Jahrhunderten das Urbild der menschlichen Staatseinrichtungen hervorholte. Es war ein schöner, herrlicher Traum. Jeder schloß die Augen vor der Zukunft und warf einen Schleier über den unbekannten Ozean, auf dem man schon den Sturm brausen hörte.
Der gemeinsame Gedanke hatte Gestalt angenommen: die junge Republik war mit Helm und Lanze bewaffnet auf die Welt gekommen. Bei einem Festmahl, das anschließend abgehalten wurde, wurden erhabene Gedanken, edle Gefühle ausgetauscht.
Manche sahen in der Wonnetrunkenheit ihrer jungen Hoffnungen den Himmel offen. Dies waren die jungen, glühend, begeisterten Männer, zumal Barbaroux, Rebecqui, Ducos, Fayer, Fonfrède.
Andere blieben auf halbem Wege stehen, um Kräfte zu sammeln für den Weg, den sie noch zurückzulegen hatten. Dies waren die früheren Mitglieder der gesetzgebenden Versammlung, deren Last ihnen beinahe zu schwer geworden war: Guadet, Gensonnè, Grangeneuve, Vergniaud.
Noch andere fühlten, daß sie ihr Ziel erreicht hatten und nicht mehr populär waren; sie lagen behaglich im Schatten des jungen Freiheitsbaumes und fragten sich, ob es wohl der Mühe wert sei, wieder aufzustehen. Zu diesen gehörten Roland und Petion.
Aber wer war nach der Meinung aller berufen, die wichtigste Rolle in der kommenden Zeit zu spielen, und wer war in ihren Augen der Haupturheber der jungen Republik, und wer war vom Schicksal bestimmt, der künftige Leiter derselben zu sein? – Vergniaud.
Als der Festschmaus zu Ende war, füllte er sein Glas und stand auf.
»Freunde,« sagte er, »einen Trinkspruch!«
Alle standen ebenfalls auf.
»Auf die ewige Dauer der Republik!«
Um dieselbe Zeit, als Verginaud diesen Trinkspruch ausbrachte, hörte man im Temple ein Trompetensignal. Der König und die Königin konnten durch die offenen Fenster ihrer Zimmer einen Munizipalbeamten hören, der mit lauter fester Stimme die Abschaffung des Königtums und die Errichtung der Republik verkündete.
Wie unglücklich auch die Gefangenen waren, ein großer Trost war ihnen bisher geblieben; sie waren vereinigt. – Aber der Gemeinderat beschloß, den König von seiner Familie zu trennen. Am 26. September, fünf Tage nach der Verkündigung der Republik, erfuhr Clery von einem Munizipalbeamten, daß die Wohnung, die man im großen Turm für den König bestimmt hatte, bald bereit sei.
Mit tiefem Schmerz überbrachte Clery seinem Herrn diese traurige Nachricht; aber der König sagte mit seiner gewohnten Fassung: »Suche den Tag dieser schmerzlichen Trennung zu erfahren und setze mich davon in Kenntnis.«
Aber Clery erfuhr nichts und konnte dem König nichts weiter berichten.
Am 29. um zehn Uhr morgens erschienen zwei Munizipalbeamte in dem Zimmer der Königin, als eben die ganze Familie versammelt war. Sie überbrachten einen Brief des Gemeinderates, den Gefangenen Papier, Tinte, Federn und Bleistift zu nehmen.
Man durchsuchte nicht nur die Zimmer, sondern auch die Gefangenen selbst.
Der König und die Königin machten keinerlei
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