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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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wenn er sein Leben unter der Guillotine, zu der er seinem königlichen Lehrling mit verholfen, geendet hätte.
    Die Verhandlungen zu dem Prozeß des Königs begannen am 13. November.
    Saint-Just, ein vierundzwanzigjähriger Fanatiker, bestieg die Rednerbühne und sprach ohne jede Hast eine ganze Stunde lang. Er verlangte, den Tod, und nur den Tod, kein gerichtliches Verfahren, keine Verhandlungen, kein Urteil. »Der König muß sterben,« sagte der Unhold mit dem blassen, kränklichen Mädchengesicht; »denn es gibt keine Gesetze mehr, er selbst hat sie vernichtet. Er ist unser Feind; wenn man ihn vor Gericht stellen wollte, müßte man ihn zuerst wieder zum Bürger machen, denn nur Bürger, aber keine Feinde stellt man vor Gericht. Er ist ein überführter, auf blutigen Taten ertappter Verbrecher ...«
    So sprach er immerfort, ohne sich zu ereifern, ohne die mindeste Aufregung merken zu lassen, mit abgemessenen, einstudierten Gebärden und pomphafter Betonung, und am Ende jedes Satzes wiederholten sich die Schreckensworte: »Er muß sterben!«, die auf die Zuhörer einen unheimlichen, grauenvollen Eindruck machten.
    Der Fanatiker erreichte seinen Zweck: das ganze Richterkollegium wurde von Grauen ergriffen; selbst Robespierre erschrak, daß sein Zögling sich so weit über die äußersten republikanischen Vorposten hinauswagte, um die blutige Fahne der Revolution aufzupflanzen. Der Prozeß war von jener Stunde an nicht nur beschlossen, sondern Ludwig XVI. verurteilt. Wer einen Versuch gemacht hätte, den König zu retten, würde sich dem Tode geweiht haben. Danton faßte zwar den Entschluß, aber er hatte nicht den Mut, ihn auszuführen; er hatte genug Patriotismus gehabt, um eine große Blutschuld auf sich zu nehmen, aber er besaß nicht genug Kaltblütigkeit, um sich Verräter nennen zu lassen.
    Am 7. Dezember kam ein Munizipalbeamter an der Spitze einer Gemeindedeputation in den Temple; er las den Gefangenen eine Verordnung vor, nach der ihnen Messer, Scheren und überhaupt alte scharfen Instrumente wegzunehmen waren.
    Unterdessen erhielt der Kammerdiener Clery einen Besuch von seiner Frau, die eine Freundin mitbrachte. Clery wurde wie gewöhnlich in die Kanzlei gerufen; seine Frau sprach in lautem Tone über ihre häuslichen Angelegenheiten; aber während Madame Clery laut sprach, sagte ihre Freundin leise:
    »Nächsten Dienstag wird der König in den Konvent geführt; der Prozeß beginnt. Der König kann sich einen Rechtsbeistand nehmen. All dies ist ganz gewiß.«
    Der König hatte dem Kammerdiener verboten, ihm etwas zu verbergen. Der treue Diener entschloß sich daher, ihm die traurige Kunde mitzuteilen. Abends beim Auskleiden erzählte er ihm, was er gehört hatte, und setzte hinzu, daß der Gemeinderat beabsichtige, ihn während der ganzen Dauer des Prozesses von seiner Familie getrennt zu halten.
    Ludwig XVI. hatte daher vier Tage Zeit, um sich mit der Königin zu besprechen und irgendein Verständigungsmittel zu verabreden. Clery war erbötig, alles zu wagen, um den Gefangenen behilflich zu sein.
    Am andern Morgen begab sich der König mit seinem Sohne zur Königin, um zu frühstücken; er dankte Clery noch einmal für seine Dienste und sagte: »Ziehen Sie auch fernerhin Erkundigungen ein; suchen Sie zu erfahren, was man mit mir machen will. Fürchten Sie nicht, mich zu betrüben. Ich habe mit meiner Familie verabredet, nicht merken zu lassen, daß ich etwas erfahren habe, um Sie nicht in Gefahr zu bringen.«
    Aber je näher die Eröffnung des Prozesses kam, desto argwöhnischer wurden die Hüter. Clery konnte den Gefangenen daher nur die Nachrichten überbringen, die in seiner Zeitung standen. In dieser Zeitung, die man ihm bewilligt hatte, stand das Dekret, laut welchem der König am 11. Dezember vor den Schranken des Konvents erscheinen sollte.
    Am 11. Dezember um fünf Uhr wurde in allen Straßen von Paris Generalmarsch geschlagen. Die Tore des Temple taten sich auf, und man ließ Kavallerie und Geschütze einrücken. Die königliche Familie stellte sich, als ob ihr die Ursache dieses ungewöhnlichen Getümmels nicht bekannt gewesen wäre, und fragte die diensttuenden Kommissare, was es zu bedeuten habe. Diese verweigerten jede Antwort.
    Um neun Uhr kam der König mit dem Dauphin zum Frühstück in die Wohnung der Prinzessinnen.
    Noch eine Stunde des Zusammenseins, jedoch nur unter den Augen der Hüter, war ihnen vergönnt; nach einer Stunde mußte man sich trennen, ohne den überwältigenden

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