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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Beschluß des Konvents das Urteil des Volkes eingeholt werden?« stimmten 281 Stimmen für die Berufung an das Volk; 432 Stimmen stimmten dagegen.
    Dann kam die dritte, die Hauptfrage, die entscheidende, verhängnisvolle Frage: »Zu welcher Strafe soll er verurteilt werden?«
    An diese Frage kam man am dritten Tage um acht Uhr abends. Es war ein kalter, trüber, regnerischer Wintertag. Man war ermüdet, abgespannt, des langen Harrens überdrüssig; bei den handelnden Personen wie bei den Zuschauern waren die Kräfte nach fünfundvierzigstündiger Sitzung erschöpft.
    Jeder einzelne Deputierte bestieg die Rednertribüne und sprach eines der vier Urteile: Gefängnis; Deportation; Todesstrafe mit Aufschub oder Berufung an das Volk; Todesstrafe ohne Aufschub, ohne Berufung.
    Jede Äußerung des Beifalls oder der Mißbilligung war untersagt worden, und dennoch murrte das Volk, sooft ein anderes Urteil als »Tod« gesprochen wurde.
    Einmal indes wurde dieses Schreckenswort mit Murren und Pfeifen aufgenommen, nämlich als Philipp Egalité die Rednertribüne bestieg und sagte:
    »Ich habe nur meine Pflicht vor Augen, und in der Überzeugung, daß jeder, der gegen die Volkssouveränität etwas unternommen hat oder künftig noch unternehmen wird, den Tod verdient, stimme ich für den Tod.«
    Mitten in diesem letzten Akte des furchtbaren Dramas ließ sich ein kranker Deputierter, namens Duchâtel, auf die Tribüne tragen; als er mit Schlafrock und Nachtmütze erschien, fing die Versammlung an, zu lachen.
    Vergniaud, der am 10. August Präsident gewesen war, führte auch noch am 17. Januar den Vorsitz. Er hatte die Absetzung des Königs verkündet, und hatte nun auch den Tod zu verkünden.
    »Bürger,« sagte er, »ihr werdet einen großen Akt der Gerechtigkeit üben; ich hoffe, daß die Humanität euch bestimmen wird, das tiefste Schweigen zu beobachten; wenn die Gerechtigkeit gesprochen hat, muß auch die Humanität ihre Rechte geltend machen.«
    Er las das Ergebnis der Abstimmung. Von 721 Deputierten hatten 334 für Verbannung oder Gefängnis und 387 für den Tod mit oder ohne Aufschub gestimmt. Für den Tod waren daher 53 Stimmen mehr als für die Verbannung. Wenn man von diesen 53 Stimmen die 46 abrechnete, die für den Tod mit Aufschub gestimmt hatten, so blieb für die sofortige Vollziehung der Todesstrafe eine Mehrheit von sieben Stimmen.
    »Bürger,« sagte Vergniaud mit dem Ausdruck tiefen Schmerzes, »ich erkläre im Namen des Konvents, daß Ludwig Capet zum Tode verurteilt morden ist.«
    Die Abstimmung hatte am Abend des 19. Dezember begonnen, aber erst Sonntag, den 20., um drei Uhr früh verkündete Vergniaud das Urteil.
    Ludwig XVI. wußte, daß sein Schicksal entschieden wurde, und in seinem einsamen Zimmer, fern von seiner Familie, die er in den letzten Tagen nicht hatte sehen wollen, um seinen Geist zu kasteien, wie ein sündhafter Mönch seinen Leib kasteit, legte er mit wenigstens scheinbarer Gleichgültigkeit sein Leben oder seinen Tod in Gottes Hand.
    Am Sonntagmorgen um sechs Uhr erschien Malesherbes. Der König war schon aufgestanden.
    »Nun?« fragte Ludwig XVI, als er ihn bemerkte.
    Malesherbes schwieg, aber der Gefangene sah an dem traurigen Gesicht des Greises, daß er keine Hoffnung mehr habe.
    »Zum Tode,« sagte Ludwig, »ich wußte es wohl.«
    Er brach in Tränen aus und schloß Malesherbes in seine Arme.
    »Herr von Malesherbes,« setzte er hinzu, »ich versichere Sie, daß ich seit zwei Tagen unablässig nachsinne, ob ich im Laufe meiner Regierung den kleinsten Vorwurf von meinen Untertanen verdient habe. Ich schwöre Ihnen mit der vollsten Überzeugung eines Mannes, der bald vor Gott erscheinen wird, daß ich stets das Glück meines Volkes gewollt und nie einen entgegengesetzten Wunsch gehegt habe.«
    Alles dieses geschah in Gegenwart Clerys, der bitterlich weinte. Der König, den der Schmerz des treuen Dieners dauerte, führte Herrn von Malesherbes in sein Kabinett und blieb etwa eine Stunde mit ihm allein.
    Dann kam er heraus, umarmte seinen Verteidiger noch einmal, bat ihn inständigst, abends wiederzukommen und nahm Abschied von ihm.
    Der König hatte Tränen in den Augen.
    »Der gute Alte hatte mich tief gerührt«, sagte er zu Clery, als er wieder in sein Zimmer kam. »Aber was fehlt Ihnen denn?«
    Der Kammerdiener zitterte am ganzen Leibe, seitdem er von Malesherbes, den er im Vorzimmer empfangen, erfahren hatte, daß der König zum Tode verurteilt worden sei.
    Um seinem Herrn den

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