Die Graefin Charny
du Bac.«
Der König trat nun einen Schritt zurück wie vormals, wenn er Audienz gab und die betreffenden Personen entließ.
Die Minister und ihre Begleiter entfernten sich.
»Clery«, sagte der König zu seinem Kammerdiener, der sich kaum aufrechthalten konnte, und sich an die Wand lehnte. »Clery, laß mein Mittagessen kommen.«
Clery ging in das Speisezimmer; er fand daselbst zwei Munizipalbeamte, die ihm eine Verordnung vorlasen, durch welche dem Gefangenen verboten wurde, sich der Messer und Gabel zu bedienen. Nur ein Messer sollte dem Kammerdiener anvertraut werden, um in Gegenwart der Kommissare für seinen Herrn das Brot und Fleisch zu zerschneiden.
Die Verordnung wurde auch dem König vorgelesen, da es Clery nicht über sich gewinnen konnte, ihn von dieser Maßregel in Kenntnis zu setzen.
Der König brach sein Brot mit den Fingern und zerschnitt das Fleisch mit dem Löffel. Gegen seine Gewohnheit aß er wenig und blieb nur ewige Minuten bei Tische.
Um sechs Uhr wurde der Justizminister gemeldet; Santerre kam einige Augenblicke früher.
Der König stand auf, um ihn zu empfangen.
»Mein Herr,« sagte der Justizminister, »ich habe Ihren Brief dem Konvent übergeben und bin beauftragt worden, Ihnen folgende Antwort zu bringen:
»Es steht Ludwig frei, irgendeinen Geistlichen, den er zu sprechen wünscht, zu sich kommen zu lassen; sowie auch seine Familie ohne Zeugen zu sehen.
»Die stets großmütige und gerechte Nation wird sich seiner Familie annehmen.
»Die Gläubiger seines Hauses werden angemessene Entschädigungen erhalten.
»Der Nationalkonvent geht, ohne das Gesuch um Aufschub zu berücksichtigen, zur Tagesordnung über.«
Der König machte eine leichte Kopfbewegung, und der Minister entfernte sich.
Aber die Kommissare hielten ihn zurück.
»Minister,« fragten sie, »wie kann Ludwig seine Familie sehen?«
»Ohne Zeugen«, antwortete Garat. »Das geht nicht an; auf Befehl des Gemeinderates dürfen wir ihn Tag und Nacht nicht aus den Augen lassen.«
Die Sache war in der Tat etwas mißlich. Man einigte sich dahin, daß der König seine Familie im Eßzimmer empfangen sollte, um durch das in der Wand befindliche Fenster gesehen werden zu können, aber die Tür sollte geschlossen werden, damit die draußenstehenden Kommissare das Gespräch nicht hören könnten.
Unterdessen sagte der König zu seinem Kammerdiener:
»Sehen Sie zu, ob der Justizminister noch da ist, und rufen Sie ihn zurück.«
Der Justizminister sprach noch mit den Beamten.
Er ging wieder hinein.
»Herr Minister,« sagte Ludwig XVI,, »ich habe vergessen, Sie zu fragen, ob man Herrn Edgeworth zu Hause gefunden hat, und ob ich ihn sprechen kann.«
»Ich habe ihn in meinem Wagen mitgebracht,« sagte Garat, »er ist in der Kanzlei und wird sogleich heraufkommen.«
In demselben Augenblick erschien Edgeworth in der Tür.
56. Kapitel
Edgeworth de Firmont war der Beichtvater der Prinzessin Elisabeth. Der König, der seine Verurteilung schon seit beinahe sechs Wochen vorausgesehen hatte, hatte seine Schwester über die Wahl des Geistlichen, der ihn in seinen letzten Augenblicken begleiten sollte, um Rat gefragt, und Madame Elisabeth hatte ihm weinend den Abbé Edgeworth vorgeschlagen.
Dieser würdige Geistliche, ein geborener Engländer, war den Septembergreueln glücklich entkommen und hatte sich unter dem Namen Essex nach Choisy-le-Roi zurückgezogen. Die Prinzessin Elisabeth kannte seine doppelte Adresse, sie hoffte, daß er vor Beendigung des Prozesses nach Paris kommen werde.
Sie irrte sich nicht. Der Abbé Edgeworth leistete der Aufforderung mit freudiger Ergebung Folge, denn er wußte wohl, wie gefährlich es für einen nicht beeideten Geistlichen war, den König auf seinem Todesgange zu begleiten.
So schrieb er am 21. Dezember 1792 an einen Freund in England:
»Wenn die Ruchlosigkeit des Volkes so weit geht, daß es diesen Königsmord auf sich nimmt, so bereite ich mich selbst auf den Tod vor, denn ich bin überzeugt, daß die Volkswut mich nicht eine Stunde nach dieser entsetzlichen Szene am Leben lassen wird.«
Der König schloß sich mit ihm ein.
Um acht Uhr abends kam er wieder heraus und sagte zu den Kommissaren:
»Meine Herren, haben Sie die Güte, mich zu meiner Familie zu führen.«
»Das geht nicht,« erwiderte einer der Kommissare; »aber man wird Ihre Familie hierherkommen lassen, wenn Sie es wünschen.«
»Gut,« antwortete der König, »wenn ich sie nur ungehindert und ohne Zeugen in
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