Die Graefin Charny
Zustand, in welchem er sich befand, soviel als möglich zu verbergen, holte er das Rasierzeug und traf alle Vorkehrungen zum Ankleiden.
Der König seifte sich den Bart selbst ein und Clery stand vor ihm, das Becken mit beiden Händen haltend.
Plötzlich wurde Ludwig XVI. sehr blaß. Clery fürchtete, er könnte ohnmächtig werden, und stellte das Rasierbecken auf einen Tisch, um seinen Herrn nötigenfalls zu halten; aber der König faßte seine beiden Hände und sprach seinem Diener Mut ein.
Dann rasierte er sich ganz ruhig.
Ludwig XVI. blieb bis zur Stunde der Tafel in seinem Zimmer. Gegen zwei Uhr tat sich plötzlich die Tür auf und die Exekutivkommission erschien, um dem Gefangenen das Urteil zu verkünden.
An der Spitze waren: Garat, der Justizmmister; Lebrun, der Minister der auswärtigen Angelegenheiten; Grouvelle, Sekretär der Exekutivkommission; der Präsident und der Generalprokurator; der Bürgermeister und der Gemeindeprokurator; der Präsident des Kriminalgerichts und der öffentliche Ankläger und Santerre.
Garat, der den Hut auf dem Kopfe behielt, ergriff das Wort und sagte:
»Ludwig, der Nationalkonvent hat die provisorische Exekutivbehörde beauftragt, Ihnen die Beschlüsse vom 15., 16., 17., 19. und 20. Januar mitzuteilen; der Sekretär wird sie Ihnen vorlesen.«
Grouvelle faltete das Dekret auseinander und las mit zitternder Stimme:
Erster Artikel. Der Konvent erklärt Ludwig Capet, den letzten König der Franzosen, der Verschwörung gegen die Freiheit der Nation und frevelhafter Anschläge gegen die allgemeine Sicherheit des Staates schuldig.
Zweiter Artikel. Der Nationalconvent beschließt, daß Ludwig Capet die Todesstrafe erleiden soll.
Dritter Artikel. Der Nationalkonvent erklärt die von den Verteidigern Ludwig Capets eingereichte Berufung an das Volk für null und nichtig.
Vierter Artikel. Die provisorische Exekutivbehörde hat Ludwig Capet im Laufe des Tages mit dem gegenwärtigen Beschlüsse bekanntzumachen und die nötigen Sicherheitsmaßregeln zu treffen, die Vollziehung desselben binnen vierundzwanzig Stunden zu veranlassen, und sodann unmittelbar nach der Vollstreckung des Urteiles dem Nationalkonvent von allem Bericht zu erstatten.
Während dieser Ablesung blieb das Gesicht des Königs vollkommen ruhig, nur zwei Gefühle waren in seinen Zügen deutlich zu lesen.
Bei den Worten: »der Verschwörung schuldig«, schwebte ein verächtliches Lächeln auf seinen Lippen, und als der Sekretär las: »daß Ludwig Capet die Todesstrafe erleiden soll«, blickte der Verurteilte zum Himmel auf.
Dann trat der König auf den Sekretär zu, nahm ihm das Dekret aus der Hand, legte es zusammen, steckte es in sein Portefeuille, und nahm ein anderes Papier heraus, das er dem Minister Garat überreichte.
»Herr Justizminister,« sagte er, »ich bitte Sie, dieses Schreiben sogleich dem Nationalkonvent zu übergeben.«
Als der Minister zu zögern schien, setzte der König hinzu:
»Ich will es Ihnen vorlesen.«
Er las mit fester, sicherer Stimme:
»Ich wünsche einen Aufschub von drei Tagen, um mich vorzubereiten, vor Gott zu erscheinen. Zu diesem Zwecke bitte ich um die Erlaubnis, mit der Person, die ich den Kommissaren des Gemeinderates nennen werde, ungehindert sprechen zu können, jedoch unter der Bedingung, daß diese Person für den Liebesdienst, den sie mir erweisen wird, nichts zu fürchten hat.
»Ich wünsche von der beständigen Überwachung, mit der mich der Gemeinderat seit einigen Tagen belästigt, von jetzt an befreit zu sein.
»Ich wünsche in dieser Zwischenzeit meine Familie ohne Zeugen zu sehen, und ersuche den Nationalkonvent, sich sogleich meiner Familie anzunehmen und ihr die freie Wahl ihres künftigen Aufenthaltes zu gestatten.
»Alle Personen, die mir nahegestanden, empfehle ich der Wohltätigkeit der Nation; viele derselben sind mittellos und müssen sich, da sie keine Besoldung mehr erhalten, in Not befinden; viele Greise, Frauen und Kinder hatten keine andere Hilfsquelle als ihre Pension.
Geschrieben im Turme des Temple am 20. Januar 1793.
Ludwig.«
Garat nahm den Brief und versprach, denselben augenblicklich dem Konvent zu übergeben.
Der König zog nun noch einmal sein Portefeuille hervor und nahm einen kleinen Zettel heraus.
»Hier ist die Adresse der Person, die ich zu sprechen wünsche,« sagte er, »falls der Konvent meinem Wunsche entspricht.«
Die von der Prinzessin Elisabeth geschriebene Adresse lautete: »Mr. Edgeworth de Firmont, Nr. 485, Rue
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